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Der Faenger im Roggen - V3

Titel: Der Faenger im Roggen - V3
Autoren: J. D. Salinger
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seine dicken, hornigen Nägel. »Wie wär's, wenn du das am Tisch machen
    würdest?« sagte ich. »Schneid sie dir am Tisch, könntest du das wohl? Ich habe keine Lust,
    heute abend mit bloßen Füßen auf deinen abgeschnittenen Nägeln herumzugehen.« Er schnitt sie
    trotzdem über dem Fußboden weiter.
Sehr schlechte Manieren nenne ich so etwas.
»Mit wem hat Stradlater ein Rendezvous?« fragte er. Er platzte immer vor Neugier, mit wem sich
    Stradlater verabredet habe, obwohl er ihn nicht riechen konnte.
»Weiß ich nicht. Warum?«
»Darum. Großer Gott, ich kann diesen Idioten nicht ausstehen. So ein blödes Kamel.«
»Er schwärmt für dich. Er hat mir gesagt, er halte dich für einen Prinzen«, sagte ich. Ich
    nenne die Leute oft Prinzen, wenn ich in der Laune bin. So aus Langeweile.
»Er führt sich immer so von oben herab auf«, sagte Ackley. »Ich kann ihn einfach nicht riechen.
    Man könnte meinen, daß er-«
»Hättest du etwas dagegen, dir die Nägel über dem Tisch zu schneiden, he?« sagte ich. »Ich sag
    es zum fünfzigsten -«
»Er führt sich die ganze Zeit so überheblich auf«, sagte Ackley. »Dabei glaube ich nicht
    einmal, daß er intelligent ist. Er selber meint es natürlich. Er meint , er sei der
    aller-«
»Ackley, verdammt noch mal! Schneid dir deine verdammten Nägel über dem Tisch! Ich hab es schon
    fünfzigmal gesagt.«
Zur Abwechslung begab er sich tatsächlich an den Tisch. Ihn anzubrüllen war die einzige Art,
    ihn zu etwas zu bringen.
Ich sah ihm eine Weile lang zu. Dann sagte ich: »Du hast nur deshalb eine Wut auf Stradlater,
    weil er gesagt hat, du solltest dir von Zeit zu Zeit die Zähne putzen. Er hat das nicht als
    Beleidigung gemeint. Er hat es zwar nicht gerade höflich gesagt, aber beleidigen wollte er dich
    nicht. Er meinte nur, du würdest besser aussehen und dich selber wohler fühlen, wenn du dir von
    Zeit zu Zeit die Zähne putzen würdest.«
»Ich putze sie ja. Red keinen Mist.«
»Nein, nie. Ich seh dir schon lange zu, und du putzt sie nie.«
Das sagte ich aber nicht unfreundlich.
Irgendwie tat er mir leid. Natürlich ist es nicht besonders angenehm, wenn man zu hören
    bekommt, daß man sich die Zähne nicht putze. »Man kann nichts gegen Stradlater sagen. Er ist
    gar nicht so übel«, sagte ich. »Du kennst ihn nur nicht.«
»Ich finde trotzdem, daß er ein gemeines Schwein ist. Ein eingebildeter Idiot.«
»Eingebildet ist er, aber in vielem ist er auch sehr großzügig. Im Ernst«, sagte ich. »Nimm zum
    Beispiel an, Stradlater hätte eine Krawatte oder was, die dir gefällt. Eine, die dir ganz
    besonders gut gefällt, meine ich - nur als Beispiel. Weißt du, was er täte?
    Höchstwahrscheinlich würde er sie abnehmen und sie dir geben. Oder er würde sie auf dein Bett
    legen oder so. Jedenfalls würde er dir die Krawatte schenken. Die meisten andern würden
    nur-«
»Zum Teufel«, sagte Ackley. »Wenn ich so reich wäre wie er, täte ich das auch.«
»Nein, du nicht.« Ich schüttelte den Kopf. »Du nicht, Kleiner. Wenn du soviel Geld hättest,
    wärst du der größte -«
»Hör auf mit dem Kleiner . Verdammt noch mal. Ich bin alt genug, um dein blöder Vater zu
    sein.«
»Das sicher nicht.« Er konnte einem wirklich manchmal auf die Nerven gehen. Er betonte bei
    jeder Gelegenheit, daß ich sechzehn war und er achtzehn. »Erstens einmal würde ich dich
    überhaupt nicht in meine gottverdammte Familie aufnehmen«, sagte ich.
»Schön, aber hör auf mich -«
Plötzlich ging die Tür auf und Stradlater kam in großer Eile herein. Er war immer eilig. Alles
    bei ihm war immer furchtbar wichtig. Er ging auf mich zu und tätschelte mir die Wangen - eine
    ekelhafte Gewohnheit. »Hör«, sagte er, »hast du heute abend etwas Besonderes vor?«
»Weiß nicht. Möglich. Wie ist es draußen - schneit es?« Sein Mantel war voll Schnee.
»Ja. Hör, wenn du selber nicht ausgehen willst, könntest du mir deine karierte Jacke
    leihen?«
»Wer hat gewonnen?« fragte ich.
»Erst Halbzeit. Aber im Ernst, brauchst du die Jacke heut abend oder nicht? Ich hab mir irgend
    so 'n Zeug über meinen Flanellanzug gegossen.«
»Nein, ich brauch sie nicht, aber ich hab keine Lust, daß du sie mit deinen verdammten
    Schultern ausweitest.« Wir waren fast gleich groß, aber er war ungefähr doppelt so schwer wie
    ich und hatte sehr breite Schultern.
»Ich weite sie sicher nicht aus.« Er ging eilig zum Schrank. »Wie geht's, Ackley?« fragte
    er.
Stradlater war wenigstens immer freundlich. Zum Teil
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