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Der erste Versuch

Der erste Versuch

Titel: Der erste Versuch
Autoren: Alexander Kröger
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Drehung hielt er
inne und fragte tonlos: „Die Alternative?“
„Fliegt zurück…!“
    Alina und Connan hielten sich in ihrer Kajüte auf der
ankernden HERMES auf. Im Orbitalhafen standen
Einzelquartiere für so viele Menschen nicht zur Verfügung. Im
Regelfall stiegen Ankommende unmittelbar in die Fähren zum
Transfer zur Erde um.
    Nach der niederschmetternden Information der
Untersuchungsgruppe begann für alle, die vom Mars kamen,
Passagiere und Besatzung, nach der Schmerzwoge die Phase
des Begreifens.
    Es herrschte Stille, im wahrsten Sinne des Wortes, Totenstille
im Schiff und in den meisten Bereichen des Hafens. Nicht in
der Funkstation. Rund um die Uhr hielt man nicht nur alle
Anlagen besetzt im Wechsel zwischen Senden und Empfang,
sondern man mühte sich, unterstützt von den Fachleuten der
HERMES, die Geräte leistungsfähiger zu machen und die
Primatverbindung auf den Hafen zu legen. Außer einem
Kontakt zu den 307 Leuten im Observatorium auf dem Mond
war jedoch bislang kein weiterer zu Stande gekommen. Einige
automatische Sender wurden aufgespürt, und man vernahm das
Rauschen und empfing die Testbilder nicht abgeschalteter
Stationen als gespenstische Ergebnisse. Es wurde immer mehr
zur schrecklichen Gewissheit, dass jeder Mensch auf der Erde
Opfer dieses ungeheuren Massensterbens geworden war.
    Die Mitglieder der Untersuchungsgruppe – selbst in schweren
Schutzanzügen – zeigten erschütternde Bilder aus dem Umfeld
des ungarischen Kosmodroms und dessen näherer Umgebung.
Danach mussten die Leute völlig unvorbereitet überraschend
ums Leben gekommen sein, wo sie gingen und standen, ohne
Schmerz und Todeskampf. Im nahen Flughafen hatten
Reisende Tickets in den Händen, saßen neben ihrem Gepäck,
Kinder hielten Eiswaffeln, Servicedamen umfassten
Telefonhörer; Bildschirme flimmerten. Ein paar Hunde irrten
umher, einige wurden von den Leuten der Gruppe von ihren
Leinen befreit, die die Toten in ihren starren Händen hielten.
    Es wurde mehr als deutlich, eine Beseitigung der Leichen,
eine ordentliche Bestattung gar, schloss sich aus. Lediglich im
Kernbereich des Kosmodroms, im Shuttle-Terminal und in den
anschließenden Funktionsgebäuden und -räumen, hatte man in
den letzten Tagen die Toten geborgen und abseits verbrannt.
Wohl oder übel mussten sie ansonsten dem natürlichen Verfall
überantwortet werden; der Verwesungsprozess hatte längst
eingesetzt.
    Und man hatte begonnen – im Umfeld des Kosmodroms –,
die Vorräte zu sichten; denn unabdingbar würden sie zu Ende
gehen, wenngleich das Unverderbliche noch lange zur
Verfügung stehen würde. Auch um die Elektroenergie musste
man nicht besorgt sein, der geringe Verbrauch wurde von den
automatischen und den Solarstationen abgedeckt. Die
Dauerfrostanlagen funktionierten, Treibstoffe lagerten zur
Genüge in den Tanks. Nur dort, wo das Eingreifen und das
Mitwirken des Menschen erforderlich waren, würde es
Engpässe und Ausfälle geben. Ernsthafte diesbezügliche
Probleme erwartete Doren McSallin in absehbarer Zeit nicht.
    Über die Ursache der Apokalypse gab es keine schlüssige
Erklärung, aber natürlich eine Reihe von Spekulationen: von
Magnetstürmen, Polumkehrung, einem Durchbruch
kosmischer Strahlung bis zu einem Angriff Außerirdischer.
    Tage nach der Katastrophe wurde durch einen der zur
Untersuchungsgruppe gehörigen Ingenieure mehr zufällig eine
– gegenüber der natürlichen
– erhöhte niederfrequente
Radiostrahlung gemessen, die jedoch weitere Tage später nicht
mehr nachzuweisen war. Derselbe Techniker, gefragt, wo
derartige Strahlung verstärkt auftreten könnte, erwähnte
beiläufig: „Unter anderem als Sekundärstrahlung aus durch
starke Radiowellen angeregten Schichten der Ionosphäre.“ Es
war eine Vermutung unter vielen.
    All diese Fakten wurden vor den 608 Leuten der HERMES
ausgebreitet. Dennoch entschlossen sich gegen alle Warnung
insgesamt 217, davon 11 von der Crew der HERMES und 23
der Hafenbesatzung, zur Rückkehr zur Erde – manche im
Zweifel an der Endgültigkeit der Aussagen, andere, um ihre
Angehörigen ordentlich zu bestatten, einige sicher auch, um
Habseligkeiten, von denen man nicht wusste, wie sie noch zu
gebrauchen wären, sicherzustellen.
    Der Abschied verlief still und in der Gewissheit, dass er für
immer sei. Die Menschen wurden mit einer Notausrüstung an
Medikamenten und Lebensmitteln versehen und im
Kosmodrom absetzt. Fahrzeuge für die Reise ins Ungewisse
standen dort mehr als
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