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Der erste Versuch

Der erste Versuch

Titel: Der erste Versuch
Autoren: Alexander Kröger
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nicht“, antwortete Milan zögernd. „Es käme
sicher auf die Folgen an, auf den Schaden, den eine Aussage
auslöst.“
„Hier.“ Sie trat einige Schritte auf ihn zu und hielt ihm ein
viereckiges Schächtelchen entgegen. „Nimm das. Miss ihm
nicht so viel Bedeutung bei, es wäre für den äußersten Fall.“
Milan nahm und öffnete. Ein schmuckloser Ring stak im
Polster – mit einer quadratzentimetergroßen Onyxplatte.
„Man kann ihn öffnen und eine Kapsel entnehmen. Sie
befreit dich schmerzlos und blitzschnell von allen
Widrigkeiten dieser Erde – und das endgültig.“ Mit einem
Lächeln klappte sie das Behältnis in seiner Hand zu.
„Also, studiere das.“ Sie zeigte auf die Mappe.
„Wenn
Fragen sind, direkt an mich. Kein Wort zu einem anderen,
auch innerhalb unserer Gemeinschaft nicht. Für deine
Bekannten wirst du offiziell nach Filiale zwölf, Thailand,
versetzt. Deine Korrespondenz wird entsprechend organisiert.
Vorerst nimmst du deine Arbeit in der acht wieder auf, bis die
offizielle Versetzungsnachricht eintrifft. Also
– auf gute
Zusammenarbeit!“ Sie richtete sich halb auf und reichte Milan
die Hand über den Tisch. Und plötzlich wechselte sie den
Tonfall, es klang weich und verbindlich, als sie sagte: „Alles
Gute, Milan, pass auf dich auf. Wir sehen uns!“
Milan ging gedankenvoll, aber keineswegs etwa furchterfüllt.
Irgendwann hatte eine solche Aufgabe kommen müssen. Und
diese jetzt schien im Augenblick alle Chancen zu haben,
glimpflich zu verlaufen. Sie konnte nur auf Spionage oder
Sabotage hinauslaufen
– egal eigentlich… eher Spionage,
wenn die Gewaltlosigkeit wirklich das oberste Gebot sein
sollte. Auch die angekündigte Vorbereitung schreckte Milan
nicht. Ein solches Projekt – wie es HAARP sein mochte –
verlangt zwar eine Menge Spezialwissen, ist aber im Grunde
genommen schmalspurig. Und einem Neuling wird man
überall eine gewisse Einarbeitungszeit gewähren… Über das
weitere Wie und Was machte er sich keine Gedanken, das war
Sache der Agentur, der kleinen, vergesslichen, neugierigen,
begehrenswerten Person Creff. Und mit der Aussicht, mit ihr
zusammenarbeiten zu sollen, war Milan äußerst zufrieden.
3. Kapitel
    Was sie sich in der verhältnismäßig langen Zeit, in der sie sich
auf die neue Tätigkeit vorbereitet hatte, nicht eingestehen
wollte, packte jetzt bereits, da das Schiff auf die Startfreigabe
wartete, unbarmherzig zu: Heimweh, die Sehnsucht nach der
Erde und der Trennungsschmerz. Und auch eine leise Furcht
war da: Natürlich hatte sie sich alles Notwendige angelesen,
hatte pflichtgemäß am Training teilgenommen, aber das
Restrisiko, in einer Marsstation zu arbeiten, war nun einmal
naturgemäß höher als bei den meisten irdischen Tätigkeiten.
    Oftmals hatte sich Alina die Frage gestellt, ob sie das
Angebot auch angenommen hätte, wenn die Liaison mit Milan
stabil gewesen oder geblieben wäre, wenn sie zusammen
gelebt hätten, eine lange Zeit wenigstens. Lief sie davon, war
es eine Flucht? Sooft sie auch versuchte, diese Fragen zu
verdrängen, sooft kehrten sie wieder. Durfte sie ihn gerade
jetzt allein lassen, jetzt, da er mit seiner, zugegeben, selbst
gewählten Aufgabe zunehmend in Schwierigkeiten geriet?
Hätte er sie jetzt, wenngleich das Verhältnis längst nicht mehr
das innige, das rückhaltlose Füreinander-da-sein war, als
Vertraute gebraucht?
    „Sollte ich mehr auf ihn eingegangen sein, mehr Verständnis
für sein Tun aufgebracht haben? Es wäre unaufrichtig gewesen
– und fühlen wir uns jetzt etwa beide besser, nun, nachdem
jeder seinen eigenen Weg geht, weil das Verständnis des einen
für den anderen…? Nein, mein Verständnis für ihn, für sein
sehr umstrittenes, in den letzten Jahren ausgeprägtes
Sendebewusstsein. Er war der Tolerante, der Verständige,
Kompromissbereite. Und nun, da Widerstand gegen seine
selbstauferlegte Mission von ganz anderer Seite zu kommen
scheint, eine Feindschaft, der vermutlich schwerlich etwas
entgegenzusetzen ist, die möglicherweise zum
Zusammenbruch des vermeintlich segenbringenden Werkes
führt…? Wenn ich nun bei ihm oder wenigstens für ihn
erreichbar wäre. Hätte das nicht auch für uns eine Chance sein
können? Ein Neuanfang? Ich hätte auf eine ungewollte Weise
Gründe meiner Vorhaltungen verloren. Wäre sein Stolz
verletzt?
    Spekulationen, Alina! Der Countdown läuft. Fraglich, ob wir
uns jemals wieder sehen, und da denkst du an eine
gemeinsame Chance. In frühestens fünf Jahren, wenn
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