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Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer

Titel: Der Erdsee Zyklus Bd. 3 - Das ferne Ufer
Autoren: Ursula K. LeGuin
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empfinde.« Laut sagte er: »Ein König würde Leute wie Sie wohl um sich haben wollen.«
    Sie schwiegen, und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach, ohne sich am andern zu stören, bis hinter ihnen aus dem Großhaus ein lauter Gong ertönte.
    »Aha«, sagte Spiel, »heute gibt es Linsen und Zwiebelsuppe. Kommen Sie!«
    »Ich dachte, man kocht hier nicht?« sagte Arren geistesabwesend und folgte ihm.
    »Ach manchmal … aus Versehen …«
    Das Essen enthielt nichts Magisches, doch viel Nahrhaftes. Nach dem Essen wanderten sie hinaus über die Felder in die blaue Dämmerung hinein.
    »Das ist der Rokkogel«, sagte Spiel, als sie einen runden Hügel emporstiegen. Das taufeuchte Gras berührte ihre Beine, und drunten am Thwilbach begrüßte ein Chor kleiner Frösche die erste Frühlingswärme und die kürzer werdenden sternklaren Nächte.
    Der Grund hier schien geheimnisvoll zu sein, und Spiel sagte leise: »Dieser Hügel hier war der allererste, der über das Meer ragte, als das Erste Wort gesprochen wurde.«
    »Und er wird als der letzte versinken, wenn alles wieder vergeht«, sagte Arren.
    »Hier stehen wir also ziemlich sicher«, sagte Spiel und schüttelte die Ehrfurcht ab, die ihn überkommen hatte; doch dann rief er aufgeregt aus: »Schauen Sie! Der Hain!«
    Wie bei einem Mondaufgang verbreitete sich strahlendes Licht auf der Erde, südlich des Kogels; doch der Mond war bereits westlich hinter dem Hügel verschwunden; auch war in dieser flimmernden Helle eine Bewegung wahrnehmbar, wie windbewegte Blätter an den Ästen von Bäumen.
    »Was ist das?«
    »Das kommt vom Hain – die Meister müssen sich dort versammelt haben. Man sagt, daß er damals, vor fünf Jahren, als sie den Erzmagier wählten, die ganze Nacht über so hell leuchtete wie der Vollmond. Aber warum treffen sie jetzt zusammen? Ist es wegen der Botschaft, die Sie brachten?«
    Spiel war aufgeregt und beunruhigt und wollte ins Großhaus zurück, um herauszufinden, was das Konzil der Meister wohl bedeuten könne. Arren folgte ihm, doch er blickte immer wieder zurück auf die seltsame strahlende Helle, bis der Hügel sie verbarg und nur noch der Mond und die Sterne einer Frühlingsnacht zu sehen waren.
    In der aus Stein gebauten Zelle, die man ihm als Schlafkammer zugewiesen hatte, lag Arren mit offenen Augen. Sein ganzes Leben lang hatte er in einem Bett unter weichen Pelzen geschlafen, selbst auf der zwanzig Ruder starken Galeere, die ihn hierhergebracht hatte, gab es mehr Bequemlichkeit als auf diesem Lager – einer Strohmatratze auf dem Steinboden und einer alten Decke aus Filz. Aber all dies nahm der Prinz nicht wahr. »Ich befinde mich im Herzen der Welt«, dachte er. »Die Meister sind an diesem heiligen Platz versammelt. Was werden sie beschließen? Werden sie einen großen Zauber ins Werk setzen, um die Magie zu retten? Ist es wahr, daß die Zauberkraft aus der Welt verschwindet? Wird selbst Rok bedroht? Ich will hierbleiben. Ich werde nicht heimfahren. Lieber fege ich sein Zimmer aus, als Prinz in Enlad zu sein. Ob er mich als Novize behält? Aber vielleicht wird die Kunst der Magie nicht mehr gelehrt, vielleicht werden die wahren Namen der Dinge nicht mehr gelernt. Mein Vater besitzt die Macht zur Zauberkunst, doch ich nicht, vielleicht stirbt sie wirklich aus! Aber ich will ihm trotzdem nahebleiben, auch wenn er seine Macht und Kunst verliert. Selbst wenn ich ihn nie mehr zu Gesicht bekomme; selbst wenn er kein Wort mehr mit mir spricht!« Doch seine lebhafte Phantasie riß ihn fort, und er sah sich wieder im Brunnenhof unter der Eberesche dem Erzmagier gegenüber, doch jetzt waren der Himmel dunkel und der Baum kahl, auch der Brunnen schwieg, als er sprach: »Mein Gebieter, der Sturm ist gekommen, doch ich will hierbleiben und Ihnen dienen.« Und der Erzmagier lächelte ihm zu … Aber hier versagte seine Phantasie, denn er hatte kein Lächeln auf dem dunklen Gesicht gesehen.
    Am Morgen erhob er sich und mit dem Gefühl, er sei am Abend zuvor noch ein Junge gewesen, doch jetzt über Nacht zum Mann gereift. Er sah dem Tag mit Zuversicht entgegen. Doch als die erste Handlung von ihm verlangt wurde, stand er starr. »Der Erzmagier wünscht Sie zu sprechen, Prinz Arren«, sagte ein junger Novize, der zu seiner Tür gekommen, kurz stehen geblieben war und dann wieder davonrannte, bevor Arren Zeit hatte, sich zu fassen.
    Er ging die Turmtreppe hinunter und durchquerte die Steingänge, die zum Brunnenhof führten, denn er wußte nicht, wo er
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