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Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)

Titel: Der Einzige und sein Eigentum (German Edition)
Autoren: Max Stirner
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Kritik. Kritisiere Ich unter der Voraussetzung eines höchsten Wesens, so dient meine Kritik dem Wesen und wird um seinetwillen geführt: bin Ich z. B. besessen von dem Glauben an einen »freien Staat«, so kritisiere Ich alles dahin Einschlagende von dem Gesichtspunkte aus, ob es diesem Staate konveniert; denn Ich liebe diesen Staat; kritisiere ich als Frommer, so zerfällt Mir Alles in göttlich und teuflisch, und die Natur besteht vor meiner Kritik aus Gottesspuren oder Teufelsspuren (daher Benennungen wie: Gottesgabe, Gottesberg, Teufelskanzel usw.), die Menschen aus Gläubigen und Ungläubigen usw.; kritisiere Ich, indem Ich an den Menschen als das »wahre Wesen« glaube, so zerfällt Mir zunächst Alles in den Menschen und den Unmenschen usw.
    Die Kritik ist bis auf den heutigen Tag ein Werk der Liebe geblieben: denn wir übten sie allezeit einem Wesen zu Liebe. Alle dienstbare Kritik ist ein Liebesprodukt, eine Besessenheit, und verfährt nach jenem neutestamentlichen: »Prüfet Alles und das Gute behaltet.« »Das Gute« ist der Prüfstein, das Kriterium. Das Gute, unter tausenderlei Namen und Gestalten wiederkehrend, blieb immer die Voraussetzung, blieb der dogmatisch feste Punkt für diese Kritik, blieb die – fixe Idee.
    Unbefangen setzt der Kritiker, indem er sich an die Arbeit macht, die »Wahrheit« voraus, und in dem Glauben, daß sie zu finden sei, sucht er die Wahrheit. Er will das Wahre ermitteln und hat daran eben jenes »Gute«.
    Voraussetzen heißt nichts anders, als einen Gedanken voranstellen, oder etwas vor allem Andern denken und von diesem Gedachten aus das Übrige denken, d. h. es daran messen und kritisieren. Mit andern Worten sagt dies so viel, daß das Denken mit einem Gedachten beginnen soll. Begönne das Denken überhaupt, statt begonnen zu werden, wäre das Denken ein Subjekt, eine eigene handelnde Persönlichkeit, wie schon die Pflanze eine solche ist , so wäre freilich nicht davon abzustehen, daß das Denken mit sich anfangen müsse. Allein die Personifikation des Denkens bringt eben jene unzähligen Irrtümer zu Stande. Im Hegelschen Systeme wird immer so gesprochen, als dächte und handelte das Denken oder »der denkende Geist«, d. h. das personifizierte Denken, das Denken als Gespenst; im kritischen Liberalismus heißt es stets: »die Kritik« tue das und das, oder auch: »das Selbstbewußtsein« finde das und das. Gilt aber das Denken für das persönlich Handelnde, so muß das Denken selbst vorausgesetzt sein, gilt die Kritik dafür, so muß gleichfalls ein Gedanke voranstehen. Denken und Kritik könnten nur von sich aus tätig, müßten selbst die Voraussetzung ihrer Tätigkeit sein, da sie, ohne zu sein, nicht tätig sein könnten. Das Denken aber, als Vorausgesetztes, ist ein fixer Gedanke, ein Dogma : Denken und Kritik könnten also nur von einem Dogma ausgehen, d. h. von einem Gedanken, einer fixen Idee, einer Voraussetzung.
    Wir kommen damit wieder auf das oben Ausgesprochene zurück, daß das Christentum in der Entwicklung einer Gedankenwelt bestehe, oder daß es die eigentliche »Gedankenfreiheit« sei, der »freie Gedanke«, der »freie Geist«. Die »wahre« Kritik, die Ich die »dienstbare« nannte, ist daher ebenso die »freie« Kritik, denn sie ist nicht mein eigen.
    Anders verhält es sich, wenn das Deinige nicht zu einem Fürsichseienden gemacht, nicht personifiziert, nicht als ein eigener »Geist« verselbständigt wird. Dein Denken hat nicht »das Denken« zur Voraussetzung, sondern Dich. Aber so setzest Du Dich doch voraus? Ja, aber nicht Mir, sondern meinem Denken. Vor meinem Denken bin – Ich. Daraus folgt, daß meinem Denken nicht ein Gedanke vorhergeht, oder daß mein Denken ohne eine »Voraussetzung« ist. Denn die Voraussetzung, welche Ich für mein Denken bin, ist keine vom Denken gemachte , keine gedachte , sondern ist das gesetzte Denken selbst , ist der Eigner des Denkens, und beweist nur, daß das Denken nichts weiter ist, als – Eigentum , d. h. daß ein »selbständiges« Denken, ein »denkender Geist« gar nicht existiert.
    Diese Umkehrung der gewöhnlichen Betrachtungsweise könnte einem leeren Spiel mit Abstraktionen so ähnlich sehen, daß selbst diejenigen, gegen welche sie gerichtet ist, ihrer harmlosen Wendung sich ergäben, wenn nicht praktische Folgen sich daran knüpften.
    Um diese in einen bündigen Ausdruck zu bringen, so wird nun behauptet, daß nicht der Mensch das Maß von Allem, sondern daß Ich dieses Maß sei. Der dienstbare
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