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Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)

Titel: Der Eindringling: Roman (edition suhrkamp) (German Edition)
Autoren: Raul Zelik
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Hundepisse, alles ist erlaubt; alles muss erlaubt sein.
    Als das Wasser zu sprudeln beginnt, zieht der Mann – Beule, seltsamer Name – einen Teebeutel aus einer alten, von der Feuchtigkeit gewellten Schachtel im Schrank und wirft ihn in eine Tasse. Das Gefäß, Linux Open Source steht auf dem Porzellan, schiebt er zu Daniel hinüber; kraftlos treibt der Beutel auf der dampfenden Flüssigkeit. Daniel nimmt einen ersten kurzen Schluck. Der Beutel muss lange im Schrank gelegen haben, er schmeckt nach Gemüsebrühe. Nach Gemüsebrühe und Hackfleischbouletten.
    Fil hat gesagt, ich kann bei ihm wohnen.
    Ja, ich hab die Schlüssel für dich.
    So einfach geht das, denkt Daniel, so schnell wohnt er plötzlich beim Vater.
    Ob Fil wohl schon lange davon wusste?
    Wovon? fragt der Freund des Vaters.
    Der Transplantation.
    Beule zuckt mit den Achseln. Dafür, dass er Fils bester Freund ist, sieht er sehr gefasst aus. Gefasst oder abgestumpft.
    Man kann doch nicht von einem Tag auf den anderen so krank werden, sagt Daniel, und der Freund des Vaters setzt ein betretenes Gesicht auf, versucht einfühlsam auszusehen. Aber selbst das empathische Lächeln gefriert ihm zur Grimasse.
    Daniel zwingt sich den Tee hinunter, den staubigen, nach Bouletten schmeckenden Tee, und verbrennt sich die Zunge dabei. Als die Tasse halb leer ist, halb voll, halb leer, eine Frage des Standpunkts, steht er auf und erklärt, dass er am besten gleich in die Wohnung hinübergehe, er sie sich noch gar nicht richtig angeschaut habe. Beules Gesellschaft ist ihm unangenehm.
    Doch zu seiner Überraschung erhebt sich auch der andere, erklärt, dass er bei Fil noch etwas herumliegen habe und Daniel dann gleich noch ein paar Dinge zeigen könne.
 
    Sie gehen einen kleinen Umweg durch die Reichenberger Straße, ein vorbeirollender Bus lässt die anliegenden Häuser, das Pflaster unter den Füßen erzittern, und zum ersten Mal in diesem Jahr schwappt plötzlich warme Luft durch die Straßen, ein Schwall vom Mittelmeer heraufgesaugter Feuchtigkeit, die im Gesicht klebt, und den beiden ist schlagartig zu warm, sie fangen zu schwitzen an, müssen sich umständlich ihre Jacken ausziehen. Später wird Daniel bewusst werden, dass in diesem Augenblick, ohne jede Vorankündigung, der Sommer begann. Ein Jahreszeitenwechsel wie aus dem Nichts.
    Als Beule nur noch das T-Shirt anhat, wirkt er plötzlich etwas zugänglicher; weniger steif, und formuliert eine fast schon persönliche Frage.
    Wie alt Daniel eigentlich sei.
    25.
    Er kenne den Vater seit 1981, erzählt Beule, sie hätten zusammengewohnt, hätten ein Haus in Kreuzberg besetzt, aber dann sei er eine Weile aus Berlin weg gewesen, zwischendrin habe er Fil vier Jahre kaum gesehen.
    Wie ich, denkt Daniel, zwischendrin kaum gesehen.
    Fil war, Beule korrigiert sich, Fil ist einer der wenigen Leute, auf die man sich immer verlassen konnte.
    Daniel blickt den Freund des Vaters fragend an.
    Der Vater habe ihn vier Jahre lang durchgefüttert, schiebt Beule erklärend hinterher.
    Doch bevor Daniel nachhaken kann, rollt erneut ein Bus vorbei, dröhnt auf dem Pflaster, so dass man seine eigenen Worte nicht versteht.
    Aha, denkt Daniel, vier Jahre lang durchgefüttert.
 
    Eine Zeitlang, einige Jahre, dachte Daniel, das Thema sei für ihn erledigt. Man braucht keine Beziehung zum leiblichen Vater, wenn der leibliche Vater ein Idiot ist, dachte er und bemühte sich nicht länger, Fils Abwesenheit zu verstehen, gab sich mit der auf der Hand liegenden Erklärung zufrieden, dass er ungeplant war, sich seine Eltern nichts zu sagen hatten.
    Daniel hatte keinen Grund, sich ungeliebt zu fühlen . Conny war immer da gewesen, hatte ihn sogar später einschulen lassen, damit er nicht der Jüngste in der Klasse war, brachte ihn bis zu seinem zehnten Geburtstag abends ins Bett und holte ihn später, als er anfing auszugehen, zu jeder Tages- und Nachtzeit mit dem Auto ab. Außerdem gab es, seit Daniel sieben oder acht war, da auch noch Gerd, der zwar eine Weile brauchte, bis er bei ihnen einzog, aber doch ein stabiler Bezugspunkt wurde, der feste Freund der Mutter, mit dem sie regelmäßig in den Urlaub fuhren. Ein stiller, zurückhaltender, aber nicht unfreundlicher Mann, der bei einem Zulieferbetrieb von Volkswagen arbeitete und zehn Jahre älter war als die Mutter. Wenige Kinder in der Klasse wurden so umsorgt wie Daniel, und so war er lange, bis nach dem Zivildienst, davon überzeugt, im Gleichgewicht zu sein. Obwohl Fil weg war, hatte
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