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Der einaeugige Henker

Der einaeugige Henker

Titel: Der einaeugige Henker
Autoren: Jason Dark (Helmut Rellergert)
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andere als einen müden Eindruck. Sie waren hellwach.
    »Mister John Sinclair?«
    »Ja, seit meiner Geburt.«
    »Ah, ich freue mich, dass es doch noch geklappt hat. Dass man sich überhaupt um meine Probleme kümmert.«
    »Nun ja, ich weiß ja nicht, wie groß sie sind, aber das verdanken Sie Ihrem Bischof. Der hat sich stark für Sie eingesetzt.«
    »Genau das hatte ich gehofft.«
    »Aber ich weiß bisher noch nicht, um was es geht, Mister Hope, das müssen Sie mir sagen.«
    »Ja, schon.« Er schaute an mir vorbei auf seine Kirche, als wollte er dort die Backsteine zählen.
    »Bitte.«
    Er schrak zusammen. »Pardon, ich bin mit meinen Gedanken woanders gewesen. Am besten ist es, wenn wir hineingehen.«
    »Aha. In die Kirche?«
    »Ja. Wohin sonst?«
    »In Ihr Haus, zum Beispiel.«
    »Das können wir später. Erst mal muss ich Ihnen etwas zeigen, und ich hoffe, dass wir Glück haben.«
    »Mal schauen.«
    Ich ließ den Pfarrer vorgehen. Es waren nur ein paar Schritte bis zur Eingangstür, die recht stabil aussah, aber nicht war, das konnte ich erkennen.
    Der Pfarrer öffnete die Tür, hielt sie mir auf und betrat vor mir die Kirche. Sie war seine Welt, das merkte man ihm an. Kaum hatte er einen Fuß in die Kirche gesetzt, da schien er zu wachsen, so sehr nahm ihn die Umgebung mit.
    Neben einem viereckigen Taufbecken blieb er stehen und nickte mir zu.
    »Hier müssen wir hin.«
    »Ja, das glaube ich Ihnen gern. Und was tun wir?«
    »Wir werden auf ihn warten, Sir.«
    Ich zuckte kurz zusammen. »Auf ihn?«
    »Ja.«
    »Und weiter?«
    »Sie werden es hoffentlich sehen und können mir dann vielleicht eine Antwort geben.«
    »Versuchen kann ich es ja.«
    »Das wäre toll. Außerdem will ich mich nicht blamieren, wenn Sie verstehen.«
    »Ja, ja, aber können wir nicht endlich zur Sache kommen?«
    »Klar, ich bin schon dabei.« Er zupfte an meinem Jackenärmel. »Kommen Sie bitte mit.«
    »Gern.«
    Kirchen kannte ich. In meinem Job hatte ich oft mit ihnen zu tun. Ich hatte auch die überladene Pracht der katholischen Kirchen in Erinnerung und sah hier das Gegenteil.
    Eine puristische anglikanische Kirche, in der es kein Gold gab, keine prächtigen Gemälde, dafür alte und enge Bankreihen sowie einen Altar, der wie ein schlichter Tisch aussah, was er letztendlich auch war.
    Für einen kleinen Ort wie Oakhurst war die Kirche recht groß. Deshalb ging ich davon aus, dass sie von mehreren Gemeinden besucht wurde.
    An der rechten Seite der Bankreihen gingen wir vorbei und durch ein Halbdunkel, denn die Fenster ließen nicht besonders viel Licht durch, obwohl sie recht groß waren. Es konnte aber auch daran liegen, dass der Tag nicht sehr hell war.
    Ich rechnete damit, dass wir bis zum Altar vorgehen würden, aber da hatte ich mich geirrt, denn der Pfarrer blieb abrupt stehen.
    »Und jetzt?«, fragte ich.
    Der Pfarrer musste nach Luft schnappen. Er war plötzlich sehr aufgeregt. »Jetzt sind wir da.«
    »Aha.«
    »Drehen Sie sich nach rechts.«
    Bisher hatte ich immer nur nach vorn geschaut, weil ich dort etwas sah. Die Wand hatte mich nicht interessiert. Ich hatte sie zudem auch als kahl in Erinnerung.
    Das war sie nicht. Zumindest nicht an dieser Stelle. Mein Blick fiel gegen die Wand, und ich sah kein Gemälde, auch kein Fresko, sondern einen Spiegel.
    Das war in der Tat eine Überraschung.
    »Und das wollten Sie mir zeigen, Herr Pfarrer?«
    »Ja.«
    »Das ist ein Spiegel.«
    Er nickte heftig. »Nicht zu übersehen, da haben Sie schon recht und genau hingeschaut.«
    »Hat dieser Spiegel etwas zu bedeuten? Ist er ein Erbstück? Ist er sehr alt und …«
    »Ja, er ist alt.«
    »Das sieht man.«
    »Gut. Und sein Besitzer hat ihn damals der Gemeinde überlassen. Er wollte Gutes tun, und man hat ihm versprochen, den Spiegel in Ehren zu halten.«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Er sieht nicht schlecht aus, aber als kostbare Schnitzarbeit würde ich den Rahmen auch nicht einstufen.«
    »Da stimme ich Ihnen zu, Mister Sinclair. Es gibt kein Blattgold, auch der Rahmen selbst ist keine kostbare Schnitzarbeit, und darum geht es auch nicht.«
    »Okay. Worum dann?«
    »Um die Fläche.«
    Jetzt sagte ich nichts mehr und dachte nur daran, dass es ja so hatte kommen müssen. Um die Fläche, hatte er gesagt, und das brachte mich gedanklich zu Spiegeln, die ich in der Vergangenheit kennengelernt hatte, die manchmal der Zugang zu anderen Dimensionen oder Welten gewesen waren.
    Ja, das konnte auch hier sein.
    Der Pfarrer hatte mich beobachtet und
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