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Der dunkle Thron

Der dunkle Thron

Titel: Der dunkle Thron
Autoren: Rebecca Gablé
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betrat die Küche, wo Bessy und Ellen, die Köchin, das Frühstück vorbereiteten.
    »Lord Nick!«, rief Bessy, als sie ihn sah – weitaus temperamentvoller als am Abend zuvor in der Halle. »Es ist so schön, dass Ihr zurück seid.«
    Ohne jeden bewussten Entschluss setzte er sich auf den Schemel neben dem Herd, auf dem er, so kam es ihm manchmal vor, seine halbe Kindheit verbracht hatte.
    Als seine Mutter gestorben war, hatte sein Vater für die beiden Kinder keine Gouvernante eingestellt. Vermutlich hatte er es vergessen. Also waren Laura und Nick unter Bessys und Ellens Aufsicht groß geworden, und wenn eines der Kinder krank gewesen war, hatten Magd oder Köchin es abends mit nach Hause genommen. An diesen Arrangements hatte auch Lady Yolandas Ankunft nichts geändert.
    »Und?«, fragte er, lehnte die Schultern gegen die Wand und schlug die Beine übereinander. »Was köchelt?«
    »Das Porridge«, gab Ellen schlagfertig zurück. Sie kam mit einer Schale ans Feuer, füllte sie großzügig mit Hafergrütze aus dem gusseisernen Kessel, reichte sie Nick und strich ihm mit der rauen Hand über den Schopf.
    Er bog ungeduldig den Kopf weg. »Danke.« Gierig begann er zu löffeln.
    Bessy schlug ein Dutzend Eier in eine Schüssel. »Hier ist alles wie immer, Lord Nick. Das ist das Wunderbare an Waringham. Nichts ändert sich je.«
    Er wiegte den Kopf. »Das würde ich so nicht sagen. Eure Familie wohlauf?« Bessy und Ellen waren Schwestern.
    Beide nickten. »Mein William hatte ein schlimmes Fieber im Frühjahr, aber er hat’s überstanden«, berichtete die Köchin. »Nur arbeiten konnte er nicht und hat so gut wie nichts gesät. Jetzt sagen die anderen Bauern, sie hätten es lieber auch so machen und sich im Frühling auf die faule Haut legen sollen, denn dieses Jahr werde keiner etwas ernten.«
    Nick sah besorgt auf. »Ich hoffe, sie irren sich.«
    Ellen schüttelte ernst den Kopf. »Zwei Monate beinah pausenlos Regen, mein Junge. Das Korn wird nicht reif, und das, was reift, verfault auf dem Halm. Mein William sagt, wir seien noch gut dran, weil wir notfalls mit dem überleben können, was ich hier an Lohn verdiene, aber Eure Schwester glaubt, wenn dieses Jahr wieder keiner Pacht zahlen kann, ist Euer Vater auch am Ende.«
    Nick fühlte mit einem Mal einen unangenehmen Druck auf dem Magen und legte den Löffel in die Schale. Aber er ließ sich seinen Schrecken nicht anmerken. »Ach komm, Ellen«, schalt er. »So schlimm wird’s schon nicht werden.«
    Ellen und Bessy tauschten einen Blick.
    Nick unterdrückte ein Seufzen. »Was? Na los, raus damit.«
    Bessy verrührte die Eier mit Milch, gab eine großzügige Prise Salz hinzu und fing an, Petersilie zu hacken. »Ein reicher Gentleman aus London war hier. Mehrmals. Der Onkel Eures Schwagers.«
    »Ein Durham? Na und? Die kommen und gehen, oder?«
    »Er hat Urkunden und eine Schatulle mitgebracht.«
    Nick verstand, was sie meinte. »Ihr denkt, mein Vater hat den Durham Land verkauft?«
    »Das musste ja früher oder später so kommen«, gab Bessy unverblümt zurück und streute die Petersilie in ihre Rühreier.
    Nick gab ihr recht. Auch Landedelleute, die eine glücklichere Hand bei der Verwaltung ihrer Güter hatten als sein Vater, standen seit Jahren vor dem Problem, dass die Pachteinnahmen niemals stiegen, weil ihre Höhe in teils Jahrhunderte alten Vereinbarungen festgeschrieben war, das Geld aber immer weniger wert war und die Kosten von Jahr zu Jahr stiegen. Viele mussten Land verkaufen, um über die Runden zu kommen, obwohl das ihre Sorgen im Jahr darauf natürlich nur vergrößerte, wenn sie für ihre geschrumpften Ländereien noch weniger Pacht bekamen. »Es ist ein Teufelskreis«, sagte Nick verdrossen. »Mein Großonkel Edmund hat es besser gemacht als mein Großvater: Er ist zur See gefahren, ist frei wie der Wind und braucht sich weder mit Politik noch mit Pachten herumzuplagen.«
    Sein Großvater – der berühmte Robin of Waringham, der seine Jugend mit dem alten König im Exil verbracht hatte und auch in den Zeiten danach kaum von dessen Seite gewichen war – hatte eine unüberschaubare Schar von Geschwistern besessen. Seine Brüder waren nach der endgültigen Niederlage des Hauses York großzügig mit Land und Titeln ausgestattet worden, aber alle in Wales oder in Yorkshire. Nick hatte keine Ahnung, was aus ihnen und ihren Nachkommen geworden war. Nur sein Großonkel Edmund, der im Auftrag der Krone die Meere bereiste und neue Länder suchte, hatte
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