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Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten

Titel: Der Drachenflüsterer - Der Schwur der Geächteten
Autoren: Boris Koch
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irgendwas im Kopf um. Spuck’s aus.«
    Langsam zog Ben den goldenen Schlüssel aus der Tasche. Er sagte nichts davon, dass er sich einsam fühlte, wenn er Yanko und Nica zusammen sah, dass er sich manchmal daran
erinnerte, wie er selbst in Nica verliebt gewesen war, noch vor Yanko, und dass er an Anula dachte, immer öfter, an ihre leuchtenden Augen und das glänzend schwarze Haar, auch an die kleinen Erhebungen, die sich unter ihrer grünen Livree abgezeichnet hatten. An ihre roten Lippen, die zu küssen er versäumt hatte. In seinen Gedanken war nicht viel von ihrer Hochnäsigkeit geblieben. Ben sagte auch nichts davon, wie gern er den Drachen beim Fliegen zusah, dass er nicht einfach so in die Nacht starrte, sondern zu ihnen hinauf. Das alles behielt er für sich, er erzählte nur vom Fund des Schlüssels und fragte: »Meinst du, ich bin jetzt verflucht? Hast du so einen Drachenschlüssel schon einmal gesehen?«
    »Drachenschlüssel? Wir haben keine Schlüssel. Was sollen wir damit denn absperren? Die Kleidertruhe für unsere Feiertagsschuppen? Oder unsere Paläste in den Wolken, gemauert aus Regentropfen?« Aiphyron grinste sein seltsames, lippenloses Drachengrinsen, und Ben ließ sich davon anstecken.
    »Du glaubst also nicht, dass ich verflucht bin?«, hakte er noch einmal nach.
    »Verflucht? Wegen eines derartig winzigen Dings? Das glaubst du doch selbst nicht.« Aiphyron beachtete den Schlüssel erst jetzt so richtig, roch an ihm und näherte sich mit dem Auge auf höchstens zwei Handbreit Entfernung. »Sieht aus wie Menschenwerk, nur feiner, schöner. Wenn ich es mir recht besehe, ist es viel zu schön für eine Arbeit aus ungeschickten Menschenhänden. So etwas könnte niemand von euch groben, ungeschlachten, kurzlebigen, ungeschickten...«
    »Ja, ich hab’s verstanden«, brummte Ben. »Wir können nichts. Aber ein Drache mit derart ungelenken Riesenklauen muss gerade reden.«
    Aiphyron grinste.

    Ben knurrte »Nacktflieger« und knuffte den Drachen, der ihn schon wieder verladen hatte, spielerisch auf die Schnauze.
    »Warte mal!« Aiphyron hörte auf zu grinsen. »Ich glaube, ich habe tatsächlich schon einmal von einem solchen Schlüssel gehört oder zumindest von so einem Drachenkopf. Ich kann mich nicht mehr richtig erinnern, ich weiß wirklich nicht mehr, ob es um einen Schlüssel ging oder nur um einen derart fein gearbeiteten Drachenkopf mit roten Augen aus Edelstein. Irgendetwas war damit. Aber das ist Jahre her, viele, viele Jahre.«
    »Kein Witz?«
    »Nein, kein Witz diesmal. Ich kann mich nur nicht richtig erinnern.« Aiphyron starrte den Schlüssel an, dann Ben. Er schnaubte und schüttelte den Kopf, als wolle er lästige Insekten vertreiben. »Aber ich bin sicher, dass du nicht verflucht bist. Ganz sicher.«
    »Gut«, sagte Ben. Das war doch schon mal etwas. »Danke.«
    Dann erhob sich Aiphyron wieder in die Luft, wünschte Ben eine gute Nacht und stürzte in den Himmel.
    In aller Ruhe stieg Ben von der Mauer und rollte sich in seine Decke. Er dachte an Anula, die kleingewachsene, hübsche, hochnäsige Hausdienerin mit den verkniffenen Mundwinkeln, die höchstens zwei Jahre älter war als er. In seinen Gedanken lachte sie viel, küsste ihn und berührte ihn mit sanften Fingern. Ihre Augen leuchteten wie damals, als ihre Hände gemeinsam aufjuris Schulterknubbel gelegen hatten.
    Er spürte sein Herz heftiger schlagen, dabei hatte er ihr doch nur etwas vorgespielt: dass er ein Bürgermeistersohn mit geheimen Auftrag sei und dass er wiederkommen würde. Das hatte er nie ernsthaft geplant, seit Wochen hielt er sich nun wenige Meilen von der Stadt entfernt auf, doch nie hatte
er sie besucht. Juris Flügel wären auch weitergewachsen, wenn er einen Nachmittag nach Falcenzca gegangen wäre. Dass er es nicht getan hatte, war doch Beweis genug, dass er nichts für sie empfand, oder nicht? Warum also schlug sein Herz jetzt schneller?
    Aber morgen, dachte er, morgen würde er zu ihr gehen. Nur so. Vielleicht wusste sie mehr über diese Ruine, wer hier einst gelebt haben mochte. So würden sie möglicherweise mehr über den goldenen Schlüssel herausfinden. Ja, das sollte er wirklich tun. Der Schlüssel mochte noch wichtig sein, es ging um ihn, nicht darum, sie wiederzusehen. Das würde er auch Nica und Yanko begreiflich machen, denen er bislang noch gar nichts von ihr erzählt hatte. Er war nicht verliebt, auf keinen Fall.
    »Nicht in dich, Anula«, murmelte er, schloss die Augen und sagte es gleich
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