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Der Dorfpfarrer (German Edition)

Der Dorfpfarrer (German Edition)

Titel: Der Dorfpfarrer (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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treiben, was er wolle, nur von der Literatur solle er lassen.« Honoré antwortete ruhig: »Das Trauerspiel ist mein Genre nicht, das ist alles« und ergriff die Feder, um etwas anderes zu schreiben.
    Indes verging die Zeit und mit ihr die Gesundheit des angehenden Schriftstellers. Schon im Jahre 1820 war man nicht reich in Paris mit 1500 Franken jährlich, inbesondere wenn man sich, wie der junge Balzac, sofort einen Diener mietete, um keinen Preis eine Aufführung des »Cinna« im Théâtre français versäumen wollte und der Versuchung nicht widerstehen konnte, eine Erstlingsmelone zu verspeisen oder einen schöngebundenen Lavater in seiner Mansarde aufzustellen; denn schon ist er der Mann, der, wie ein Zeitgenosse, Philarète Chasles, von ihm sagt: »sich in einer Marmorwanne badete, wenn er keine Stühle hatte, um sich und seine Freunde zu setzen, und in Meudon ein herrliches Haus baute, ohne Treppe«. Da galt's hernach sich Wochen lang krumm legen, den Magen zuschnüren und von Brot und Wasser leben, dabei angestrengt zu arbeiten, oft zwölf Stunden hintereinander; schon beginnt die fatale Notwendigkeit des schwarzen Kaffees, der ihm bekanntlich ein unentbehrlicher, aber keineswegs unschädlicher Lebensgefährte werden sollte. Die Briefe an Schwester und Mutter bleiben indes immer heiter und zuversichtlich wie zuvor: »Ich habe die Hoffnung, jeden Monat einen Roman für 600 Franken zu verkaufen, genug, um fertig zu werden, bis mein Vermögen gemacht ist, welches ich mit euch teilen werde; denn ich werde es machen, daran zweifelt nicht.« Dabei ist er stets zärtlich und liebevoll in den Briefen, wie's seine innerste Natur wollte, wenn auch die Mutter den Ueberarbeiteten oft unnütz genug reizte. Als diese aber den Zustand des Sohnes erfuhr, ließ sie ihm keine Ruhe mehr, bis er sich dazu verstand, zu den Seinigen nach dem benachbarten kleinen Städtchen Villeparisis zu ziehen, wo er dann drei Jahre lang, mitten in der Unruhe des Familienlebens, zwanzig Bände schlechter Romane unter angenommenem Namen schrieb, die er später sämtlich verleugnete und die in der Tat untergegangen zu sein scheinen.
    Es war vorauszusehen, daß eine Natur wie Balzac dies literarische Tagelöhnerleben auf die Dauer nicht ertragen konnte: ihm war die literarische Produktion ein Priestertum, wie sollte er sie lange zum Handwerk herabwürdigen? Und er hatte die Freiheit gekostet, die Freiheit in der Armut, die Freiheit des Dachstübchens, aber immerhin die Freiheit, die ihm mit allen ihren Sorgen und Qualen zuträglicher war, als das Leben im summenden Familienkreise guter, gescheiter, liebevoller, aber reizbarer und unruhvoller Menschen. So entschloß er sich denn von neuem, in Paris sein Glück zu versuchen, diesmal selbst ohne die 1500 Franken, die ihm sein Vater beim Beginn seiner Laufbahn ausgesetzt. Er fühlte die Notwendigkeit pekuniärer Sicherheit und Unabhängigkeit, welche für den Künstler vielleicht ebenso zwingend wie für den Politiker, der ja ohne dieselbe für die öffentliche Tätigkeit geradezu unfähig ist. Wie die meisten Berufenen, denen das Glück nicht schon in der Wiege gelächelt, dachte er anfangs, indem er einen Teil seines Lebens der Sklavenarbeit opferte, die Freiheit zu erobern, die ihm nötig war, um der Muse sein Leben in freiem Dienste zu widmen; und erst als alle seine Mühe fruchtlos blieb, verstand er sich dazu, aus dem Zwecke auch das Mittel zu machen, vom Altar zu leben wie der Priester. »Mit 1500 Franken Rente, die mir gesichert wären,« meinte er in seinen naiven Anfängen, »könnte ich an meinem Ruhme arbeiten; aber für solche Arbeiten braucht's Zeit; und zuerst gilt's zu leben! Ich habe also nur dies ignoble Mittel, mich zu independentisieren . So lass denn die Presse seufzen, schlechter Autor! Nie ist das Wort so wahr gewesen. Schreiben, schreiben alle Tage, um eine Unabhängigkeit zu erobern, die man mir verweigert; versuchen, frei zu werden durch Romanschreiben! Und welche Romane! Ah, Laure, was für ein Gesunkensein von meinen Ruhmesplänen!« Das konnte er nicht ertragen und, da seine Spielernatur sich nie verleugnete, so verfiel er nun auf den Gedanken, das nötige Befreiungskapital durch eine kühne Spekulation in einem Wurfe zu erlangen. Es war die erste jener utopistischen Unternehmungen, deren Folgen ihn sein Leben über lähmten; denn leserlicher als irgendwo steht das Gesetz, wonach des Menschen Natur sein Schicksal ist, unter dem Bildnisse dieses seltenen Mannes.
    Wie die
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