Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Dolchstoss

Der Dolchstoss

Titel: Der Dolchstoss
Autoren: Robert Jordan
Vom Netzwerk:
vergewissern, daß er verstand. »Ich fürchtete, du könntest dich erinnern, wer ich ursprünglich war.«
    Noch immer benommen, warf Mat sich stirnrunzelnd in den Lehnstuhl neben seinem Tisch. Wer sie ursprünglich war, wahrhaftig. Sie stellte sich ihm mit in die Hüften gestemmten Fäusten herausfordernd gegenüber, keinen Deut anders als die Birgitte, die er aus dem Himmel hatte reiten sehen. Sogar ihre Kleidung war dieselbe, obwohl dieser kurze Umhang rot und die weite Hose gelb waren. »Elayne und Nynaeve wissen Bescheid und haben es vor mir geheimgehalten, richtig? Ich habe die Geheimnisse satt, Birgitte, und sie verwahren so viele Geheimnisse, wie ein Getreidespeicher Ratten beherbergt. Sie sind mit Herz und Seele Aes Sedai geworden. Sogar Nynaeve ist mir jetzt doppelt fremd.«
    »Du hast deine eigenen Geheimnisse.« Sie kreuzte die Arme unter ihren Brüsten und setzte sich aufs Fußende seines Bettes. So wie sie ihn ansah, hätte man meinen können, er sei ein Rätsel. »Du hast ihnen beispielsweise nicht erzählt daß du das Horn von Valere geblasen hast. Und ich denke, daß dies noch das geringste Geheimnis ist, das du vor ihnen verbirgst.«
    Mat blinzelte. Er hatte angenommen, sie hätten es ihr gesagt. Sie war immerhin Birgitte. »Welche Geheimnisse habe ich denn sonst? Diese Frauen kennen mich in- und auswendig.« Sie war Birgitte. Natürlich. Er beugte sich vor. »Laßt sie wieder zur Vernunft kommen. Ihr seid Birgitte Silberbogen. Ihr könnt sie Eure Befehle befolgen lassen. Diese Stadt weist an jeder Biegung Fallgruben auf, und ich fürchte, daß die Pfähle jeden Tag spitzer werden.
    Drängt sie zur Flucht bevor es zu spät ist.«
    Sie lachte; hielt eine Hand vor den Mund und lachte! »Ihr irrt Euch, Hornbläser. Ich befehle ihr nicht. Ich bin Elaynes Behüterin. Ich gehorche.« Sie lächelte wehmütig. »Birgitte Silberbogen. Vertraute des Lichts - ich bin nicht sicher, ob ich diese Frau noch bin. So vieles von dem, was ich war, ist seit meiner seltsamen Wiedergeburt vergangen wie Nebel unter der Sommersonne. Ich bin jetzt keine Heldin mehr, sondern nur eine Frau, die ihren Weg gehen muß. Und nun zu deinen Geheimnissen. Welche Sprache sprechen wir, Hornbläser?«
    Er öffnete den Mund ... und hielt inne, als er wirklich hörte, was sie gerade gesagt hatte. Nosane iro gavane domorakoshi, Diymrid'ma'purvem! Sprechen wir welche Sprache, Bläser des Horns? Seine Nackenhaare stellten sich auf. »Das alte Blut«, sagte er vorsichtig - nicht in der Alten Sprache. »Eine Aes Sedai sagte mir einmal, das alte Blut fließe stark in... Verdammt, worüber lacht Ihr jetzt?«
    »Über dich, Mat«, brachte sie mühsam hervor, während sie sich wieder zu beruhigen versuchte. Zumindest sprach sie nicht mehr in der alten Sprache. Sie wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel. »Einige Menschen sprechen durch das Alte Blut einige Worte oder einen oder zwei Sätze der Alten Sprache. Üblicherweise ohne zu verstehen, was sie sagen. Aber du... Während eines Satzes bist du ein Eharoni-Hochprinz und während des nächsten ein Herrscher Manetherens mit perfektem Akzent. Nein, sorge dich nicht. Dein Geheimnis ist bei mir sicher.« Sie zögerte. »Ist meines auch bei dir sicher?«
    Er winkte ab, noch immer zu verwirrt, um sich beleidigt zu fühlen. »Wirke ich wie ein Schwätzer?« murrte er. Birgitte! Leibhaftig! »Verdammt, ich könnte etwas zu trinken gebrauchen.« Er wußte, noch bevor er die Worte ganz ausgesprochen hatte, daß es die falschen waren. Frauen wollten niemals...
    »Das hört sich gut an«, sagte sie. »Ich könnte selbst einen Becher Wein vertragen. Blut und Asche; als ich merkte, daß du mich erkannt hattest, hätte ich fast meine Zunge verschluckt.«
    Er setzte sich jäh aufrecht und starrte sie an.
    Sie begegnete seinem Blick mit heiterem Augenzwinkern und einem Grinsen. »Im Schankraum herrscht genug Lärm, daß wir reden können, ohne belauscht zu werden. Außerdem hätte ich nichts dagegen, mich dort hinzusetzen und mich ein wenig umzuschauen. Elayne predigt wie ein tovanischer Ratsherr, wenn ich länger als einen Herzschlag mit einem Mann liebäugele.«
    Er nickte ohne nachzudenken. Die Erinnerungen anderer Menschen vermittelten ihm, daß die Tovaner ein strenges und mißbilligendes und bis zur Schmerzgrenze enthaltsames Volk waren oder zumindest vor tausend und mehr Jahren gewesen waren. Er war sich nicht sicher, ob er lachen oder stöhnen sollte. Einerseits hatte er die Gelegenheit, mit
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher