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Der Coach

Titel: Der Coach
Autoren: John Grisham
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weißen Trainer die schwarzen Jungs tatsächlich spielen lassen würden. Und aus den weißen Gegenden der Stadt kam eine Menge Druck, nur Weiße aufzustellen. Nach drei Wochen Training mit Eddie Rake kam der Augenblick der Wahrheit.
    Beim ersten Spiel traten wir gegen North Delta an. Sie brachten nur Weiße aufs Spielfeld, und auf der Bank saßen, etwa fünfzehn Schwarze. Einige von ihnen kannte ich, und ich wusste, dass es gute Spieler waren. Rake hatte seine besten Spieler aufgestellt, und uns wurde schnell klar, dass North Delta das nicht getan hatte.
    Es wurde ein wahres Gemetzel. Nach der ersten Halbzeit führten wir 41:0. In der zweiten Halbzeit kamen die Schwarzen aus North Delta von der Bank aufs Spielfeld, und ich muss zugeben, wir ließen ein bisschen nach. Es gab nur ein Problem: Bei Eddie Rake war Nachlassen nicht erlaubt. Wenn er fand, dass man auf dem Feld zu wenig Einsatz zeigte, stand man ganz schnell neben ihm an der Seitenlinie.
    Es sprach sich herum, dass in Messina schwarze Spieler aufgestellt wurden, und schon bald hatte sich das Problem im ganzen Bundesstaat erledigt.
    Eddie Rake war der erste Weiße, der mich anbrüllen konnte, ohne dass ich es ihm übel nahm. Sobald mir klar war, dass meine Hautfarbe ihn tatsächlich nicht interessierte, wusste ich, ich würde ihm überallhin folgen.
    Ungerechtigkeit war ihm verhasst. Und da er nicht von hier war, brachte er eine neue Perspektive mit. Kein Mensch hatte das Recht, einen anderen Menschen schlecht zu behandeln, und wenn Coach Rake etwas Derartiges mitbekam, dann gab es Ärger. Bei aller Härte war er doch höchst empfänglich für die Leiden anderer.
    Nachdem ich Pfarrer geworden war, besuchte er die Gemeinde und engagierte sich in unserem Sozialprogramm. Er nahm verlassene und missbrauchte Kinder bei sich auf. Als Coach hat er nie besonders viel Geld verdient, doch er war großzügig, wenn jemand dringend Essen, Kleidung oder Unterricht benötigte.
    Im Sommer trainierte er Jugendmannschaften. Wenn man Rake kennt, weiß man natürlich, dass er dabei auch nach Jungs Ausschau hielt, die gut laufen konnten. Er hat Angelausflüge für Kinder veranstaltet, die keine Väter mehr hatten. Und wie es so seine Art war, hat er für all diese Dinge nie Dank erwartet.«
    Der Reverend hielt inne und nahm einen Schluck Wasser. Die Menge verfolgte jede seiner Bewegungen und wartete.
    »Nachdem Coach Rake entlassen worden war, habe ich ein langes Gespräch mit ihm geführt. Er war überzeugt davon, dass man ihn ungerecht behandelt habe. Doch im Lauf der Jahre, so scheint mir, hat er sein Los angenommen.
    Ich weiß, wie sehr er um Scotty Reardon getrauert hat. Und ich bin glücklich, dass er heute Morgen neben Scotty zur letzten Ruhe gebettet wurde. Vielleicht ist es der Stadt jetzt ja möglich, die Fehde beizulegen. Ist es nicht eine Ironie des Schicksals, dass über den Mann, dem wir unsere Bekanntheit verdanken, den Mann, der so viel daran gesetzt hat, so viele Menschen zu vereinen – dass über ebendiesen Mann in Messina seit inzwischen mehr als zehn Jahren gestritten wird?
    Lasst uns das Kriegsbeil begraben, die Waffen niederlegen und unseren Frieden mit Eddie Rake machen. In Jesus Christus sind wir alle vereint. Und in dieser wunderbaren kleinen Stadt sind wir alle in Eddie Rake vereint. Gott segne unseren Coach. Gott segne euch alle.«
    Das Streichquartett setzte zu einer melancholischen Ballade an, die zehn Minuten dauerte.
    Eddie Rake hatte das letzte Wort. Ein letztes Mal hatte er Gelegenheit, seine Spieler zu manipulieren.
    Neely konnte beim besten Willen nichts Schlechtes über seinen Coach sagen, nicht in einem solchen Augenblick. Rake hatte sich aus dem Jenseits bei ihm entschuldigt. Und nun sollte Neely nach dem Willen seines Coachs vor die versammelte Stadt treten, die Entschuldigung annehmen und ein paar innige eigene Worte hinzufügen.
    Als Miss Lila ihm die Nachricht übermittelt hatte, er solle eine Grabrede halten, war seine erste Reaktion, zu fluchen und auszurufen: »Warum gerade ich?« Unter den Spielern, die Rake trainiert hatte, befanden sich Dutzende, die ihm nähergestanden hatten als Neely. Paul vermutete, dass es Rakes Versuch war, mit Neely und dem Team von 1987 doch noch Frieden zu schließen.
    Was auch der Grund sein mochte: Es gab keine gesellschaftlich anerkannte Möglichkeit abzulehnen, wenn man um eine Totenrede gebeten wurde. Paul erklärte, das sei schlicht und ergreifend unmöglich. Neely erwiderte, er habe so etwas noch
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