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Der Club der Gerechten

Der Club der Gerechten

Titel: Der Club der Gerechten
Autoren: John Saul
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übertragen werde. Was sie nicht sehen konnten – er aber schon –, war Cindy Allens Familie, die hinter dem Anklagevertreter saß, ihm gegenüber. Das Lächeln seiner Eltern konterten sie mit Blicken puren Hasses. Obwohl sie geschockt schienen, weil er von seiner Schuldlosigkeit so überzeugt war, hatte Jeff das dumpfe Gefühl, dass das Urteil unvermeidbar war, dass dieser Albtraum nie enden werde.
    Als er jetzt darauf wartete, dass die dritte Phase seines Prozesses begann, versuchte er, einen Funken Hoffnung aufzubringen, fand aber keinen.
    Sein Körper, früher einmal so voller Energie, schien jetzt völlig erschöpft. Mit dreiundzwanzig fühlte er sich wie ein alter Mann.
    Vor sechs Monaten noch hatte sich das Leben wie eine Landschaft mit unendlichen Horizonten vor ihm erstreckt; jetzt sah er nur noch endlose Tage vor sich, gefangen hinter den Gitterstäben einer Gefängniszelle.
    Als er am Morgen in eines der halb blinden polierten Metallstücke geblickt hatte, das ihm in dem Gebäude, die »Gruft« genannt, als Spiegel diente, hatte er sich lange angestarrt – das blasse Gesicht, den mageren Hals, die eingefallene Brust, die dunklen Ringe der Erschöpfung unter den Augen. Ich sehe genauso aus wie das, wofür sie mich halten, hatte er gedacht. Ich sehe aus, als gehörte, ich ins Gefängnis.
    Die Tür zum Gerichtssaal öffnete sich, und Sam Weisman erschien. In den Monaten seit Prozessbeginn hatte Jeff gelernt, aus Haltung und Miene seines Anwalts mehr herauszulesen als aus dem, was er sagte. Weisman war sechzig und hatte dichtes schneeweißes Haar; seine Schultern neigten dazu, nach vorn zu sacken, als trügen sie die Last eines jeden Falles, den er vertrat. »Sie sind so weit«, sagte er, und obwohl seine Stimme neutral klang, haftete seiner Haltung etwas an, das Jeff zu dem Gedanken verführte, es könnte vielleicht doch noch eine Wendung zum Besseren bevorstehen.
    »Wie sieht es aus, Sam?«, fragte er, als der Gefängnisaufseher die Tür des Gitterkäfigs aufsperrte und weit öffnete.
    Weisman zögerte, als wäge er seine Antwort sorgfältig ab. Dann zuckte er jedoch nur mit den Schultern. »Keine Ahnung«, sagte er. »Ich hab nur so'n Gefühl, wissen Sie.«
    Die Hoffnung, die kurz in Jeff aufgeflackert war, erlosch sofort wieder. Sam Weisman hatte ebenfalls »so'n Gefühl« gehabt, als die Jury länger als einen Tag weggeblieben war, und mit genau »so'nem Gefühl« hatte er sie am nächsten Nachmittag auf die Geschworenenbank zurückkehren sehen. Doch die Jury hatte Jeff in jedem Punkt für schuldig befunden, in dem er angeklagt worden war.
    So viel zu Weismans »Gefühlen«.
    Nachdem man ihm die Handschellen abgenommen hatte, betrat Jeff den Gerichtssaal; Sam Weisman ging direkt hinter ihm.
    Plötzlich fühlte Jeff sich desorientiert. Sie waren alle da – die Ankläger an ihrem Tisch, Sam Weismans Assistent an dem daneben.
    Dieselben Leute saßen auf den Zuschauerbänken – seine Eltern hinter dem Tisch der Verteidigung und Cynthia Allens Eltern hinter dem Tisch des Anklägers. Im Hintergrund dieselben Reporter, die während des ganzen Verfahrens da gewesen waren, bereit für den letzten Akt.
    Und Heather Randall saß, wie an jedem Tag seit Prozessbeginn, allein am äußersten Ende der Bank, auf der seine Eltern Platz genommen hatten.
    »Warum sitzt du nicht bei meinen Leuten?«, hatte er sie gefragt, als sie ihn nach dem langen ersten Gerichtstag besuchte. Heather hatte zurückhaltend mit den Schultern gezuckt, und ihr Gesicht hatte die undurchdringliche Miene angenommen, hinter der sie sich immer verschanzte, wenn sie etwas verbarg. Ihm wurde klar, dass er die Antwort auf seine Frage kannte. »Dad gibt dir die Schuld, nicht wahr? Er denkt, wenn du nicht gewesen wärst, wäre ich in Bridgehampton geblieben.«
    »Wärst du denn nicht?«, fragte sie.
    Jeff schüttelte den Kopf. »Genauso gut könnte er Mom die Schuld geben – sie war diejenige, die dafür gesorgt hat, dass ich aufs College ging.«
    »Es ist leichter, Außenstehende zu verurteilen«, antwortete Heather. »Und der Himmel weiß, für deinen Vater werde ich das immer sein.«
    »Er wird seine Meinung ändern. Wenn das hier vorüber ist, wird er schon sehen.«
    Und jetzt, heute Morgen, war alles vorbei, doch Keith Converse hatte seine Meinung offensichtlich nicht geändert.
    Aber eines war im Gerichtssaal heute anders: Außer an dem Tag, an dem sie ausgesagt hatte, war zum ersten Mal Cynthia Allen anwesend. Klein und hilflos saß sie
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