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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor
Autoren: Jules Verne
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Takelage, um sich hierauf dem Lieutenant Walter zu nähern.
    »Der Kapitän? fragte er.
    – Ich sah ihn heute noch nicht.
    – Nichts Neues?
    – Nichts.«
    Dann unterhalten sich Robert Kurtis und Lieutenant Walter einige Augenblicke mit leiser Stimme.Auf eine an ihn gerichtete Frage antwortet Walter mit einem verneinenden Zeichen.
    »Schicken Sie mir den Hochbootsmann herauf. Walter«, ruft der zweite Officier dem abgelösten Lieutenant nach.
    Bald erscheint der Gerufene und Robert Kurtis stellt einige Fragen an ihn, auf welche dieser mit leiser Stimme, aber mit Achselzucken antwortet. Auf den Wink des zweiten Officiers läßt der Hochbootsmann durch die Deckwache die Pfortsegel über der großen Luke neu begießen.
    Einige Augenblicke später nähere ich mich Robert Kurtis, und unser Gespräch dreht sich zunächst um unwichtige Dinge. Da es mir scheint, als wolle der zweite Officier nicht selbst auf den Gegenstand meines lebhaften Interesses eingehen, sage ich zu ihm:
    »Ich bitte, Mr. Kurtis, was ist denn diese Nacht an Bord vorgekommen?«
    Robert Kurtis betrachtet mich aufmerksam, giebt aber keine Antwort.
    »Ja, fahre ich fort, ich wurde durch in ungewöhnliches Geräusch erweckt, ebenso Mr. Letourneur; was ist geschehen?
    – Nichts Besonderes, Mr. Kazallon, erwidert Robert Kurtis, eine falsche Steuerbewegung des Untersteuermannes machte es plötzlich nöthig, zu brassen, was eine gewisse Bewegung auf dem Verdeck veranlaßt haben mag. Bald war der Fehler wieder gut gemacht und der Chancellor lief in seinem gewohnten Course weiter.«
    Mir scheint, daß der sonst so offene Robert Kurtis diesmal nicht die Wahrheit gesagt hat.

VIII.
    Vom 15. bis 18. October. –
    Die Fahrt geht ganz in derselben Weise weiter, der Wind hält sich aus Nordosten, und für Jeden nicht tiefer Blickenden hat es den Anschein, als ob an Bord Alles in bester Ordnung sei.
    Indeß, »es liegt etwas in der Luft«. Die Matrosen stecken die Köpfe zusammen und murmeln unter einander, schweigen aber bei unserer Annäherung. Wiederholt habe ich das Wort »Luke« gehört, das schon Mr. Letourneur aufgefallen war. Was befindet sich nur im Kielraum des Chancellor, das so besondere Vorsicht nöthig machen kann? Warum sind die Luken so luftdicht verwahrt? Wahrlich, wenn eine empörte Schiffsmannschaft im Zwischendeck gefangen gehalten würde, könnte man strengere Maßregeln zu ihrer Bewachung nicht wohl ergreifen.
    Am 15., als ich mich auf dem Vordercastell erging, hörte ich den Matrosen Owen zu seinen Kameraden sagen:
    »Ihr Anderen wißt es also, ich warte nicht, bis es zu spät ist. Jeder ist sich selbst der Nächste.
    – Was willst Du aber thun, Owen? fragte ihn Jynxtrop, der Koch.
    – Ei nun! hat der Matrose geantwortet, die Schaluppen sind doch nicht für Meerschweinchen erfunden!«
    Das Gespräch wurde plötzlich unterbrochen, und ich konnte nicht mehr vernehmen.Ist etwa eine Verschwörung gegen die Schiffsoberleitung im Entstehen? Hat Robert Kurtis Vorzeichen einer Empörung bemerkt? Den bösen Willen mancher Matrosen hat man stets zu fürchten, und muß Jenen eine eiserne Disciplin entgegen setzen.
    Drei Tage sind verflossen, ohne daß mir etwas Bemerkenswerthes aufgefallen wäre. An Robert Kurtis erkenne ich jedoch Zeichen von Ungeduld, was mich bei einem Manne, der seiner so sehr Herr ist, wie er, desto mehr verwundert; dennoch scheint mir Kapitän Huntly in Folge wiederholter Einsprache seiner Officiere nur noch hartnäckiger auf seinem Willen zu beharren. Uebrigens muß er an einer Ueberreizung leiden, deren Ursache mir noch dunkel ist.
    Während der Mahlzeiten haben wir, Mr. Letourneur und ich, die Schweigsamkeit des Kapitäns und die Unruhe des zweiten Officiers wiederholt beobachtet. Dann und wann versucht Robert Kurtis eine Conversation zu unterhalten, doch schweigt sie meist sofort wieder, und weder der Ingenieur Falsten noch Mr. Kear sind die Leute dazu, eine solche zu führen.
    Ruby natürlich ebenso wenig. Inzwischen fangen die Passagiere, und das nicht ohne Grund, an, sich über die lange Dauer der Fahrt zu beklagen. Mr. Kear, ein Mann, vor dem sich selbst die Elemente beugen müssen, scheint Kapitän Huntly für diese Verzögerung verantwortlich machen zu wollen und sagt ihm das in's Gesicht.
    Im Verlaufe des 17. und von da ab auch später wird das Verdeck auf Anordnung des zweiten Officiers wiederholt begossen. Gewöhnlich geschieht das nur am Morgen, jetzt mag die öftere Wiederholung dieses Verfahrens durch die hohe
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