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Der Chancellor

Titel: Der Chancellor
Autoren: Jules Verne
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keine menschliche Macht mehr zu dämpfen vermag.
    »Ist Ihnen die Entstehung des Feuers bekannt? frage ich.
    – Sehr wahrscheinlich ist sie in einer Selbstentzündung der Baumwolle zu suchen.
    – Kommt eine solche häufig vor?
    – Häufig? Nein! Aber dann und wann; denn wenn die Baumwolle zur Zeit der Einschiffung nicht vollkommen trocken ist, kann sie unter den Verhältnissen, in denen sie sich später befindet, d. h. bei der feuchten Luft eines Kielraumes, der nur sehr unzulänglich zu lüften ist, sich ganz von selbst entzünden. In mir steht die Ueberzeugung fest, daß die Feuersbrunst an Bord keine andere Ursache hat.
    – Doch die Ursache fällt für uns jetzt nicht in's Gewicht. Ist etwas dagegen zu thun, Mr. Kurtis?
    – Nein, Mr. Kazallon, antwortet mir Robert Kurtis; doch wiederhole ich Ihnen, daß wir alle für den gegebenen Fall gebotenen Vorsichtsmaßregeln ergriffen haben. Ich hatte daran gedacht, das Schiff in der Wasserlinie an einer Stelle zu öffnen, um eine gewisse Menge Wasser einströmen zu lassen, welches die Pumpen später leicht herausgeschafft hätten; da wir aber zu der Ueberzeugung kamen, daß das Feuer jedenfalls in der Mitte des Cargo entstanden ist, hätten wir den ganzen Kielraum unter Wasser setzen müssen, um jenes zu erreichen. Inzwischen habe ich an mehreren Stellen des Verdecks kleine Oeffnungen anbringen lassen, durch welche während der Nacht Wasser eingegossen wird, doch erweist sich das als unzureichend. Nein, es ist wirklich nur ein Weg offen, – derselbe, welchen manin solchen Fällen immer einschlägt, das Feuer zu ersticken, indem man ihm jeden Luftzutritt von Außen abschneidet und dadurch den die Verbrennung unterhaltenden Sauerstoff raubt.
    – Und das Feuer ist trotzdem im Wachsen?
    – Ja, und das liefert den Beweis für das Eindringen von Luft in den Schiffsraum durch eine Oeffnung, die wir trotz alles Nachsuchens nicht zu entdecken im Stande sind.
    – Hat man Beispiele dafür, Mr. Kurtis, daß Schiffe unter solchen Verhältnissen ausgehalten haben?
    – O gewiß, Mr. Kazallon; es kommt gar nicht so sehr selten vor, daß mit Baumwolle befrachtete Schiffe in Liverpool oder Havre mit zum Theil verzehrtem Cargo anlangten. In diesen Fällen hatte man freilich das Feuer zu löschen, mindestens in Schranken zu halten vermocht. Mir ist mehr als ein Kapitän bekannt, der so, mit dem Feuer unter den Füßen, in den Hafen eingelaufen ist. Dann mußte natürlich eiligst die Ladung gelöscht werden, wodurch mit dem unversehrten Theile derselben auch das Schiff gerettet wurde. Bei uns liegen die Dinge leider schlimmer, und ich verhehle mir nicht, daß das Feuer, anstatt beschränkt zu werden, täglich weitere Fortschritte macht. Nothwendiger Weise existirt irgend eine Oeffnung, die sich unserem Nachsuchen entzieht und welche durch Zuführung frischer Luft den Brand ernährt.
    – Erschiene es da nicht angezeigt, umzukehren, und sobald als möglich Land zu erreichen zu suchen?
    – Vielleicht, entgegnet mir Robert Kurtis; das ist eine Frage, welche der Lieutenant, der Hochbootsmannund ich noch heute mit dem Kapitän besprechen wollen; doch ich gestehe, ich sage das Ihnen, Mr. Kazallon, daß ich es schon auf mich genommen habe, den bis jetzt gesteuerten Cours zu ändern; wir haben jetzt den Wind im Rücken und fahren nach Südwesten, d. h. nach der Küste zu.
    – Die Passagiere wissen nichts von der ihnen drohenden Gefahr? frage ich den zweiten Officier.
    – Nichts, und ich bitte Sie auch um Stillschweigen über die Ihnen gewordenen Mittheilungen. Es ist unnöthig, durch den Schrecken der Frauen und vielleicht kleinmüthiger Männer unsere Verlegenheiten zu vermehren. Auch die Mannschaft hat Befehl, nicht darüber zu sprechen.«
    Mir leuchten die gewichtigen Gründe des Mannes, also zu sprechen, ein, und ich versichere ihn meiner unbedingtesten Verschwiegenheit.

X.
    Am 20. und 21. Oktober. –
    Unter diesen Umständen setzt der Chancellor seine Fahrt mit so vielen Segeln fort, als seine Masten tragen können. Manchmal beugen sich seine Obermasten so, als ob sie brechen sollten, aber Robert Kurtis wacht aufmerksam. Er bleibt immer neben dem Steuerrade, da der Mann daselbst nicht sich allein überlassen sein soll. Durch kleine geschickte Schwenkungen giebt er der Brise nach, wenn die Sicherheit des Fahrzeugs compromittirt sein könnte, und so weit, als es möglich ist, verliert der Chancellor unter der Hand, die ihn regiert, nichts an seiner Schnelligkeit.
    Heute, am 20.
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