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Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)

Titel: Der Bund der silbernen Lanze: Historischer Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Claudia Schulligen
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von seinem Stuhl auf, wandte sich zu den Schaulustigen um. »Mir scheint, Laetitia will uns nun mit einem Spielchen, dem Erraten von Begriffen, unterhalten«, spottete er, »so wie es bei Hofe zur Belustigung der Damenwelt üblich ist!«
    Hemmungsloses Gelächter schallte durch den Raum. Wilhelm pochte mit einem Stab auf die hölzerne Fläche seines Pultes, um die Leute zur Raison zu rufen. »Ruhe! Ruhe, oder ich werfe Euch alle hinaus! Laetitia, unterlasst diesen Unfug und bringt Greifbares vor, falls Ihr wirklich Entlastendes zur Verteidigung der Delinquentin in Händen haltet!«
    Über Ruperts Gesicht, das vor Häme schier zu platzen drohte, dehnte sich ein breites Grinsen, als er sich wieder setzte. Wut flammte in Laetitia auf. Der Templer sollte seinen Mund lieber nicht derart voreilig auftun. Beflügelt vom Trotz erhob sie erneut die Stimme. Zwar gingen ihre ersten Worte im Gemurmel und Füßescharren unter, aber die weiteren übertönten allen Lärm. »Ich fand Fetzen von Briefen in Burkhards Händen. Fest umklammert mit der letzten Kraft, die ihn noch am Leben hielt! Klar war mir – und davon war ich nicht abzubringen – von Anfang an, dass diesen Briefen eine zentrale Bedeutung zukam. In ihnen liegt der Schlüssel zum Geheimnis um die Morde. Sie stammen aus dem Nachlass von Pierre Abaelard – oder wie man ihn hierzulande zu nennen pflegt: Petrus Abaelardus, ein Name, der mit dem Brandmal der Häresie gestraft ist.«
    Das Wort ›Häresie‹ verfehlte in den skandalgierigen Ohren seine Wirkung nicht und sorgte für ein Raunen, das durch den Saal ging. Laetitia schöpfte immer mehr Mut, weil sie spürte, dass sie die Aufmerksamkeit der Leute – und nicht zuletzt Wilhelms, auf den es am meisten ankam – gewann. Ruperts bereits sicher geglaubter Triumph begann in weite Ferne zu rücken.
    »Ein Verfechter seiner Lehren hatte Petrus Abaelardus diese Briefe vor langer Zeit geschrieben. Lehren, welche die schärfste Ächtung der Kirche erfahren haben. Gleichzeitig stellte ich mir die Frage: Warum waren diese Briefe mit einem Mal so wichtig? Schließlich wurden sie an einen Mann geschrieben, der bereits seit Jahren tot ist. Auch befinden wir uns hier Meilen entfernt von seinem Wirkungsort. Warum also waren – oder besser wurden – die Briefe plötzlich derart bedeutungsvoll? Wem galten sie ausgerechnet jetzt so viel, dass er dafür mordete? Mir die Person des Petrus Abaelardus und seine letzten Jahre vor Augen führend, wurde mir rasch eines klar: Die Verquickung mit dem Leben des Bernhard von Clairvaux. Bernhard von Clairvaux, der gegen Abaelardus’ Lehren voller Inbrunst kämpfte und dem Albero und ganz Trier höchsten Respekt zollen! Und da erkannte ich: Hier hat jemand gehandelt, der fürchtete, bei Bernhard von Clairvaux in Ungnade zu fallen und damit zugleich den brennenden Zorn Alberos auf sich zu ziehen.«
    In einer raschen Bewegung wandte sich Laetitia um und nahm der Reihe nach die Schaulustigen ins Visier. Das Erwähnen von ›Alberos Zorn‹ glich in seiner Wirkung der einer magischen Formel. Mit einem Mal saßen alle reuig wie die Sünder im Fegefeuer da. Schweigend, einen nach dem anderen traf Laetitias Blick. Bald verwandelte sich der Raum in ein einziges Scharren, Räuspern, Rascheln und Hüsteln, aber etwas zu sagen, wagte niemand.
    »Diese Angst vor dem Zorn Alberos machte sich Burkhard zunutze. Wie ein Schwert führte er sie gegen den Mann, den er aus tiefster Seele hasste. Auf einer seiner Handelsreisen erfuhr er, dass sein Feind als junger Bursche ein Vertrauter und Anhänger des Petrus Abaelardus gewesen war. Obgleich er dem verhassten Kerl aus ganz anderem Grunde als dem Vorwurf der Häresie ans Leder wollte, erkannte Burkhard sofort, welche Macht ihm diese Briefe schenken würden, hielte er sie in seinen Händen. Endlich sah er seinen Triumph nahen!
    Viel besser als ich kennt ein jeder von Euch Burkhards Geschichte. Ihr wisst um die Bürde, die Gott ihm auferlegt hat. Burkhard war nicht mehr bereit, die Strafe des Allmächtigen duldsam zu ertragen, nein, er verlangte Rechenschaft für den Tod seiner Söhne. Er war der festen Überzeugung, dass nicht Gottes, sondern eines Menschen Hand das Leben seiner Söhne genommen hatte!«
    Die Menschen hingen Laetitia an den Lippen. Wohl keinen gab es im Zehnthaus, der nichts von den Hasstiraden wusste, mit denen Burkhard seiner Trauer über den Verlust seiner Söhne Luft gemacht hatte. Genau diese Betroffenheit der Leute war es, die Laetitia
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