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Der Bourne Betrug

Der Bourne Betrug

Titel: Der Bourne Betrug
Autoren: Robert Ludlum
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Rouge von ihrem Gesicht abgewischt hatte. Danach hatte er sie geküsst, und die Kälte ihrer Lippen hatte einen Stromstoß durch seinen Körper geschickt: Sie ist tot, sie ist tot. Das war’s, dein Leben mit ihr ist vorbei. Er hatte mit ersticktem Schluchzen den Sargdeckel geschlossen und dem Direktor des Bestattungsunternehmens erklärt: »Ich habe mir die Sache anders überlegt. Der Sarg bleibt geschlossen. Ich will nicht, dass jemand sie so sieht, vor allem die Kinder nicht.«
    Â»Trotzdem haben Sie ihn beim Namen gerufen«, stellte Dr. Sunderland fest. »Wirklich faszinierend. Wegen Ihrer Vorgeschichte, wegen Ihres Gedächtnisverlusts hat der tragische
Tod Ihrer Frau spezielle Erinnerungsblitze ausgelöst. Haben Sie eine Idee, in welcher Beziehung Ihr toter Freund zu der blutenden Frau steht?«
    Â»Nein.« Aber das war natürlich gelogen. Er hatte den Verdacht, einen alten Auftrag, den er von Alex Conklin erhalten hatte, nochmals zu durchleben.
    Dr. Sunderland legte die Fingerspitzen seiner Hände aneinander. »Ihre jäh auftauchenden Erinnerungen können wie ein wieder an die Oberfläche kommender Traum durch alle möglichen Impulse ausgelöst werden, wenn diese nur stark genug sind: etwas, das Sie gesehen, angefasst oder gerochen haben. Nur sind die ›Träume‹ in Ihrem Fall real. Sie sind Ihre Erinnerungen; sie haben sich tatsächlich ereignet.« Er griff nach seinem goldenen Füller. »Ein Trauma, wie Sie eines erlitten haben, würde auf dieser Liste zweifellos ganz oben stehen. Und wenn Sie glauben, jemanden gesehen zu haben, von dem Sie wissen, dass er tot ist … Kein Wunder, dass die Erinnerungsblitze seither häufiger geworden sind.«
    Alles wahr, aber die häufiger einschießenden Erinnerungen machten seinen jetzigen Geisteszustand noch unerträglicher. An jenem Nachmittag in Georgetown hatte er seine Kinder allein gelassen. Nur für einen Augenblick, aber … Er war darüber entsetzt gewesen; er war es noch immer.
    Marie war fort, hatte ihn in einem schrecklichen, sinnlosen Augenblick verlassen. Und jetzt verfolgte ihn nicht nur die Erinnerung an sie, sondern auch an diese stillen alten Straßen, die ihn fast boshaft angrinsten; Straßen, die mehr wussten als er, die etwas über ihn wussten, das er nicht einmal ansatzweise erraten konnte. Sein Albtraum lief stets nach dem gleichen Schema ab: Erinnerungsblitze tauchten auf und ließen ihn in Schweiß gebadet zurück. Danach lag er in der Dunkelheit und war der festen Überzeugung, nie mehr einschlafen zu können. Aber er tat es unweigerlich doch – er verfiel in schweren, wie
betäubten Schlaf. Und wenn er aus diesem Abgrund auftauchte, drehte er sich noch schlaftrunken zur Seite und tastete jedes Mal nach Maries warmem Körper, den er so liebte. Anschließend traf die Realität ihn wieder wie ein Keulenschlag.
    Marie ist tot. Tot und für immer fort …
    Das trockene, rhythmische Geräusch, mit dem Dr. Sunderland etwas in sein Notizbuch schrieb, holte Bourne aus seiner schwarzen Gedankenwelt zurück.
    Â»Diese Erinnerungsblitze treiben mich buchstäblich in den Wahnsinn.«
    Â»Das überrascht mich nicht. Ihr Wunsch, Ihre Vergangenheit zu ergründen, ist übermächtig. Man könnte ihn sogar als Zwangsvorstellung bezeichnen – ich täte’s ganz sicher. Eine Zwangsvorstellung raubt dem Menschen, der unter ihr leidet, oft die Fähigkeit, ein sogenanntes ›normales‹ Leben zu führen, obwohl ich diesen Ausdruck verabscheue und nur selten gebrauche. Jedenfalls glaube ich, Ihnen helfen zu können.«
    Dr. Sunderland breitete seine großen, schwieligen Hände aus. »Am besten fange ich damit an, dass ich Ihnen die Art Ihrer Behinderung erkläre. Erinnerungen entstehen, wenn elektrische Impulse die Synapsen im Gehirn dazu veranlassen, Neurotransmitter freizusetzen – die Synapsen zünden, wie wir sagen. Dabei entsteht eine temporäre Erinnerung. Damit sie permanent wird, muss ein als Konsolidierung bezeichneter Prozess ablaufen. Ich will Sie nicht mit Einzelheiten langweilen, sondern nur sagen, dass die Konsolidierung die Synthese neuer Proteine erfordert und daher viele Stunden dauert. In dieser Zeit kann der Prozess durch alle möglichen Ereignisse blockiert oder verändert werden – beispielsweise durch ein schweres Trauma oder Bewusstlosigkeit. Das
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