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Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus

Titel: Der Blinde Uhrmacher - Ein neues Plädoyer für den Darwinismus
Autoren: Richard Dawkins
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seiner Schriften legen es jedoch nahe, daß er die Komplexität und Schönheit des biologischen Plans unterschätzte. Der junge Naturforscher Charles Darwin hätte ihm das eine oder andere Detail zeigen können, aber Hume war bereits seit 40 Jahren tot, als Darwin sich in Humes Universität in Edinburgh einschrieb.
    Ich habe etwas leichtfertig von Komplexität und scheinbarem Bauplan gesprochen, als sei es klar, was diese Wörter bedeuten. In gewissem Sinne ist es tatsächlich klar - die meisten Leute haben intuitiv eine Vorstellung davon, was Komplexität bedeutet. Aber diese beiden Begriffe, Komplexität und Plan, sind für dieses Buch von so zentraler Bedeutung, daß ich versuchen muß, unser Gefühl, an komplexen und scheinbar geplanten Dingen sei etwas Besonderes, etwas präziser in Worte zu fassen.
    Was also ist ein komplexes Ding? Woran sollten wir es erkennen? Warum ist es richtig, wenn wir sagen, daß eine Uhr oder ein Flugschiff oder ein Ohrwurm oder eine Person komplex sind, daß aber der Mond einfach ist? Das erste, was uns vielleicht für ein komplexes Ding notwendig zu sein scheint, ist, daß es eine heterogene Struktur besitzen muß. Ein rosa Milchpudding oder Flammeri ist einfach, denn wenn wir ihn in der Mitte durchteilen, haben beide Portionen dieselbe innere Struktur: ein Flammeri ist homogen. Ein Auto hingegen ist heterogen: anders als beim Flammeri ist fast jedes Teil des Autos von den anderen verschieden. Zweimal ein halbes Auto ist nicht dasselbe wie ein ganzes Auto. So können wir sagen, daß ein komplexer Gegenstand, im Unterschied zu einem einfachen, aus vielen Teilen besteht, wobei diese Teile verschiedenartig sind.
    Solche Heterogenität, oder »Verschiedenteiligkeit«, mag eine notwendige Voraussetzung sein, aber sie reicht nicht aus. Es gibt eine Fülle von Gegenständen, die aus vielen Teilen bestehen und in ihrer inneren Struktur heterogen sind, ohne deshalb komplex zu sein, wie ich es verstehe. Der Montblanc zum Beispiel besteht aus vielen verschiedenen Felsarten, die so zusammengewürfelt sind, daß, schnitte man den Berg irgendwo durch, die beiden Teile in ihrer inneren Struktur voneinander verschieden wären. Der Montblanc besitzt eine heterogene Struktur, die ein Pudding nicht hat, aber er ist nicht komplex in dem Sinne, wie ein Biologe den Ausdruck benutzt.
    Probieren wir auf unserer Suche nach einer Definition von Komplexität einen anderen Weg aus und benutzen den mathematischen Begriff der Wahrscheinlichkeit. Versuchen wir es einmal mit folgender Definition: Ein komplexes Ding ist etwas, dessen Bestandteile so angeordnet sind, wie es wahrscheinlich nicht durch den Zufall allein zustande gekommen sein kann. Borgen wir einen Vergleich von einem berühmten Astronomen aus: Wenn man die Teile eines Flugzeugs nimmt und sie willkürlich durcheinanderschüttelt, dann ist es sehr unwahrscheinlich, daß man zufällig eine funktionierende Boeing zusammenbastelt. Es gibt Milliarden Möglichkeiten, die Stücke eines Flugzeugs zusammenzusetzen, aber nur eine von ihnen, oder jedenfalls sehr wenige, ergeben tatsächlich ein Flugzeug. Noch größer ist die Zahl der Möglichkeiten, die durcheinandergewürfelten Teile eines Menschen zusammenzubauen.
    So eine Definition von Komplexität zu finden ist vielsprechend, aber es fehlt immer noch etwas. Man könnte sagen, daß es Milliarden von Methoden gibt, die Teile des Montblanc zusammenzuwerfen, aber nur eine von ihnen ergibt tatsächlich den Montblanc. Weshalb also sind Flugzeug und Mensch kompliziert, während der Montblanc einfach ist? Jede beliebige Ansammlung von Teilen ist einzigartig und, im Rückblick, ebenso unwahrscheinlich wie jede andere auch. Der Schrotthaufen auf einem Flugzeugfriedhof ist einzigartig. Es gibt keine zwei Schrotthaufen, die gleich sind. Wenn ich Fragmente von Flugzeugen auf einen Haufen zu werfen beginne, so ist die Chance, daß ich zufällig zweimal genau dieselbe Anordnung von Schrott schaffe, mehr oder weniger genauso klein wie die Chance, ein funktionierendes Flugzeug zusammenzuwürfeln. Warum sagen wir dann nicht, daß ein Müllhaufen oder der Montblanc oder der Mond genauso komplex sind wie ein Flugzeug oder ein Hund, wenn in allen Fällen die Anordnung der Atome »unwahrscheinlich« ist?
    Mein Fahrradschloß hat 4096 verschiedene Kombinationen. Jede ist gleich »unwahrscheinlich«, weil beim willkürlichen Drehen der Rädchen jede einzelne dieser 4096 Kombinationen mit gleicher Unwahrscheinlichkeit eintritt. Ich
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