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Der blinde Passagier

Der blinde Passagier

Titel: Der blinde Passagier
Autoren: Alfred Weidenmann
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verstehen, weil in diesem Augenblick die Maschine mit dem König von Tanimpang über die Rollbahn fegte und vom Boden abhob. Der Düsenlärm übertönte für einen Augenblick alle anderen Geräusche.
    Wenige Minuten später rollte auch die Lufthansa-Maschine an den Start.
    Herr Mayer schwenkte seinen zerknüllten Hut wie eine Fahne durch die Luft, und der Dicke mit seinen Austernaugen und dem neuen Orden auf der Brust legte seine Hände vor die Stirn und verbeugte sich.
    Die Boeing 707 stieg steil in den Himmel.

Da bist du ja wieder, du Knalltüte!

    Bevor es auf den Indischen Ozean hinausging, stellte sich eine kleine, hellblonde Stewardeß in den Mittelgang. Sie stand wie ein Klassenlehrer vor den Passagieren, hatte eine zitronengelbe Schwimmweste in der Hand und erklärte, wie man sich unter Umständen ein paar Stunden über Wasser halten könnte, falls das Flugzeug aus irgendeinem Grunde nicht auf dem nächsten Flugplatz, sondern irgendwo auf dem Wasser niedergehen würde.
    Peter Schimmelpfennig saß dicht bei den Düsentriebwerken am Fenster, und der Käfig mit Neco stand auf dem Sessel neben ihm. Die Maschine war nur zur Hälfte belegt.
    In der Gegend von Rangun wurde ein Mittagessen serviert. Schon zur Vorspeise gab es deutsche Markenbutter, und wer wollte, konnte Münchner Bier oder Kissinger Sprudel haben.
    Peter Schimmelpfennig war mit einem Bein schon wieder zu Hause.
    Beim Anflug auf Indien trank man Tee oder Kaffee.
    „Ich habe in Bangkok zu lange in der Sonne gelegen. Im Hotel am Swimming-pool“, plauderte die kleine, hellblonde Stewardeß. Sie kam jetzt schon zum zweiten Mal mit ihrer Kuchenplatte, und auf ihrer Nase schälte sich die Haut ein wenig. „Aber wir haben auch eine ganze Masse Tempel abgeklappert. Den Smaragd-Buddha und den liegenden Buddha und den Gold-Buddha. Soll ich dir noch ein paar Nüsse für deinen Papagei bringen?“
    „Ich glaube nicht“, sagte Peter Schimmelpfennig, „er schläft gerade, und da wollen wir ihn nicht wecken.“
    Als die Boeing über Karatschi zur Landung ansetzte, prasselte Regen auf die Tragflächen und auf die Rollbahn. Aber schon zwei Minuten später schien wieder die Sonne. Die Luft war jetzt schwül und feucht.
    Die Passagiere, die nach Europa weiterflogen, durften den Transitraum nicht verlassen. Baumlange Beamte in dunklen Uniformen und mit farbigen Turbanen standen an den Türen und paßten auf wie Luchse. Draußen warteten alte Taxis auf Kundschaft, und Karren mit Kamelen und Büffeln wurden von Lastwagen überholt. Polizisten verjagten ein paar Bettler, die sich auf die angekommenen Touristen gestürzt hatten. Auf dem Flugfeld rollten inzwischen die Tankwagen zur Luft-hansa-Maschine.
    Mit den neuen Passagieren kam eine Gruppe von etwa dreißig Pakistani an Bord. Die Männer schleppten Kartons und Pakete, die Frauen trugen ihre Kinder. Als sich die Maschine in die Luft hob, applaudierten sie wie in einem Zirkus, wenn der Clown die Hose verliert. Sie saßen vergnügt in ihren Sitzen und fanden es ganz fabelhaft, wie das Flugzeug sie höher und höher in den Himmel trug. Die Kinder und Frauen hatten glitzernde Steine an der Nase und Unmengen von funkelnden Reifen um Arme und Beine. Drei Opas mit weißen Bärten und unzähligen Falten im Gesicht blickten weise und nachdenklich in die Gegend.
    „Sie gehen nach London“, bemerkte die kleine, hellblonde Stewardeß, „als Dockarbeiter, und die englischen Firmen lassen sie mit Kind und Kegel herüberkommen.“
    Die Boeing flog jetzt in einer Höhe von elftausend Metern. Der Himmel war wolkenlos, und die Sonne überlegte es sich gerade, ob sie untergehen sollte.
    Peter Schimmelpfennig hatte sein Tagebuch aus der Segeltuchtasche geholt und machte sich Notizen. „Graues Gebirge rundherum bis zum Horizont“, schrieb er. „Kein Haus und kein Dach. Hier lebt bestimmt kein Mensch. Nur Berge. Gipfel mit Schnee. Und riesige schwarze Krater. Manchmal wie eine Mondlandschaft.“
    Die rund dreißig Sessel der Pakistani waren inzwischen leer. Die ganze Gesellschaft hatte sich auf den Boden im Mittelgang verlagert. Sie hockten dicht beieinander und unterhielten sich mit viel Gelächter. Wenn einmal jemand von den Passagieren oder Stewardessen zwischen ihnen durchgehen mußte, kicherten und kreischten sie wie aufgescheuchte Hühner.

    Die Boeing mit Peter Schimmelpfennig überflog gerade den Persischen Golf, als Dr. Liesegang in sein Telefon hineinfragte: „Wieso um alles in der Welt ein Attentat?“ Er saß im
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