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Der blinde Hellseher

Der blinde Hellseher

Titel: Der blinde Hellseher
Autoren: Stefan Wolf
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foltern sie ihn.“
    „Um Himmels willen!“ Klößchen
wurde blaß. „Aber wieso schicken sie dann den Erpresserbrief?“
    „Zur Ablenkung. Außerdem: Wer
schon soweit auf der schiefen Bahn ist, daß er Autos knackt und ausraubt, der
schrickt auch vor noch schlimmeren Verbrechen nicht zurück. Und mit 100 000
Mark könnten sich Bosselt und sein Kumpan ein feines Leben machen.“
    „Aber... sie würden doch
auffliegen, sobald sie Volker wieder freilassen.“ Diesmal wartete Klößchen
Tarzans Erwiderung nicht ab, sondern gab sich selbst gleich die Antwort. „Du
meinst: Wenn sie ihn freilassen!“
    Tarzan hob die Schultern. „An
sowas Grauenhaftes will ich lieber nicht denken. Es könnte doch sein, daß die
beiden sich bei der Entführung maskiert haben. Vielleicht wurden Volker dann
gleich die Augen verbunden. Und er ahnt bis heute nicht, in wessen Händen er
ist. Allerdings müßte er darauf kommen, wenn sie die Beweisfotos fordern. Hm!
Ziemlich undurchsichtig.“
    Klößchen zog den Negativfilm
aus dem Umschlag und hielt ihn aufgerollt gegen das Licht. „Wie ich’s mir
dachte. Die beiden Fotos sind die letzten. Die von der Klassen-Party hat er
vorigen Samstag geknipst. Der Film wurde am... Ja, da steht das Datum!... am Montag
wurde der abgegeben. Vielleicht gleich, nachdem Volker diese Schnappschüsse
gemacht hat. Herr Glockner wird wissen, wann das mit dem Mercedes war.“
    „Nachher übergeben wir ihm die
Fotos.“
    „Also noch ein Verdächtiger“,
sagte Klößchen betrübt. „Frasketti, Raimondo und Bosselt. Es wird immer
schlimmer. Weißt du, was ich beknackt finde: Daß uns Volker mit keinem Wort von
dieser Sache hier erzählt hat. Er ist kein richtiger Freund.“
    „Ich würde eher sagen: In
letzter Zeit stimmte mit ihm überhaupt nichts mehr. Er ist doch von Tag zu Tag
verschlossener geworden. Und gereizter. Denk’ mal dran, wie er Hannibal
angemosert hat. Wegen nichts. Vielleicht war er mit seinem Geheimnis hier
selig. Vielleicht wollte er seine schlechte Laune an Bosselt auslassen.
Allerdings: Erfahren hätten wir’s wahrscheinlich doch. Denn wenn ich die
Klassen-Party-Fotos für ihn abhole, sehe ich sie mir doch gleich an. Und dabei
hätte ich’s ja gemerkt. Ich glaube fast, Volker wäre noch ganz offen zu uns
gewesen. Aber dazu gab’s keine Gelegenheit mehr. Er wurde vorher entführt.“
    „Verlier’ bloß die Fotos
nicht!“ meinte Klößchen besorgt.
    Aber Tarzan steckte sie in die
Innentasche seiner Jacke und zog den Reißverschluß zu.
     
     
     

18.
Rastplatz Kuckucksruh
     
    Zu Krauses fuhren sie
vergeblich.
    Nur Suzanne war da. Wo Herr
Krause sich befand, wußte sie nicht. Frau Krause hatte wegen gesundheitlicher
Beschwerden ihren Hausarzt aufgesucht und war noch nicht zurück. Es konnte
länger dauern.
    Die Jungs erzählten Suzanne,
was es mit Raimondo auf sich hatte; und das Mädchen staunte Bauklötze. Dann
radelten die beiden zum Internat zurück, denn allmählich verspürte auch Tarzan
einen Bärenhunger.
    Sie kamen zu spät. Mittagessen
gab’s nicht mehr. Klößchen flitzte gleich mit grimmigem Gesicht ins ADLERNEST,
um sich über seinen Schokoladen-Vorrat herzumachen.
    Tarzan schmuggelte sich in die
Küche und sah die Hauptköchin, eine mütterliche Frau, treuherzig an. „Kann ich
noch was kriegen? Ich habe mich verspätet. Wir waren in einer wichtigen Sache
unterwegs. Jetzt hängt mir der Magen schief.“
    Er wußte, daß sie ihn mochte.
Und obwohl es sonst nicht gestattet war, daß Schüler in der riesigen Küche
aßen, durfte er sich mit seinem Teller in die hinterste Ecke verziehen. Zwei
Stück Kasseler hatte sie ihm aufgetan und eine mächtige Portion Sauerkraut mit
Kartoffelpüree.

    „Es geht ja nicht, daß einer
unserer besten Sportler verhungert“, meinte die Köchin lächelnd.
    Als Tarzan ins ADLERNEST kam,
hatte Klößchen beide Hände über dem Magen gefaltet und war satt. „Schokolade
kann eine Hauptmahlzeit ersetzen. Wußtest du das?“
    „Bei mir kann sie das nicht“,
sagte Tarzan und streckte sich aufs Bett.
    Klößchen döste. Tarzan dachte
nach. Draußen machte sich fauchender Wind auf. Irgendwo im Flur ließ jemand was
Gläsernes fallen. Es zerbrach mit Getöse. Später war das Haus voll von
schläfriger Stille. Alle paar Minuten sah Tarzan auf die Uhr. Aber die Zeit
schien stehenzubleiben. Endlich war es vier.
    Klößchen erhob sich seufzend.
Die Schokolade lag ihm jetzt wie Steine im Bauch.
    Schon um halb fünf kamen sie
bei Gaby an. Viel zu
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