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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser
Autoren: Niklaus Schmid
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Erhielt aber keine Antwort. Und so stieg ich aus. Neben meinem Kombi drehte ich mich noch einmal um. Marie Laflör saß noch immer in ihrem Auto, in derselben Stellung, die Hände am Lenkrad, als wollte sie am liebsten wegfahren. Mit dem Handrücken wischte sie sich über die Wangen. Ich machte ein paar Schritte zurück, aber die richtigen Worte, um sie zu trösten, fielen mir nicht ein.
    Also startete ich den Motor.
    7.
    Das Alter einer Taube ist am leichtesten erkennbar am Schnabel Jungtiere haben einen rosaroten weichen Wulst, der bei alten Tieren weißlich und verhärtet ist.
    Ganz eindeutig hatte Kallmeyer mir zwei junge Täubchen gegeben.
    Ich las weiter:
    Nach dem Rupfen wird das Tier an offener Flamme gesengt, damit alle Federreste verschwinden; die Stoppeln werden mit scharfem Messer entfernt. Das Ausnehmen beginnt beim Hals.
    Man macht einen scharfen Schnitt und holt die Futterreste aus dem Kropf. Dann schneidet man den Afterring ab und macht von da aus einen Einschnitt in die Bauchhaut, entfernt vorsichtig den Magen und zieht mit diesem die Eingeweide…
    Wie gut, dass ich noch Großmutters Kochbuch besaß; in neuen Ausgaben gehen die Autoren von vorgefertigtem Fleisch aus, als wüchse das auf Bäumen, das Tier dahinter bleibt unsichtbar; Federn, Schnabel, Afterring – all das hat es scheinbar nie gehabt. Ganz anders hier:
    Der Magen wird an der weißen Haut aufgeschnitten und die inwendige harte Haut abgezogen. Nun löst man vom Darm die Leber und entfernt von dieser vorsichtig die Galle…
    Das Telefon meldete sich. Nicht jetzt, nicht mit blutigen Fingern!
    Der ausgenommenen Taube wird der Hals nach hinten gelegt.
    Die Flügel biegt man auf den Rücken, sodass der eine den Hals hält. Den Bauch schneidet man nicht lang, sondern quer ein und steckt beide Beine in den Einschnitt…
    Omas Kochbuch las sich wie eine Anleitung für Jack the Ripper.
    Der Anrufbeantworter sprang an, Verenas Stimme erklang:
    »Wollte nur mal hören, wie es dir so geht, Elmar. Ich melde mich später noch mal. Bis dann, tschühüs.«
    So honigsüß hatte ich sie gar nicht in Erinnerung. Zwar hatten wir uns vor der Scheidung nicht direkt verkracht und auch hinterher war der Ton zwischen uns zivil geblieben. Ganz ohne Streitigkeiten war es allerdings nicht abgegangen; vielleicht musste das so sein, um die Trennung erträglicher zu machen. Und wie bei anderen Paaren war es auch bei uns ums Geld gegangen. Hatte meine Frau sich früher über meine unregelmäßige Dienstzeit beschwert, war sie später, als ich mich selbstständig gemacht hatte und wir schon in Trennung lebten, mit meinen unregelmäßigen Einkünften unzufrieden gewesen.
    Als sie nach der Scheidung merkte, dass bei mir in Richtung Unterhalt nichts zu holen war, hatte sie bald einen neuen Lebenspartner gefunden und ihn vor kurzem auch geheiratet.
    Nachdem Verena wieder mit Haushaltsgeld rechnen konnte –
    mein Nachfolger hieß Harro Bongarts und war Abgeordneter im Landtag – und nachdem sie allem Anschein nach auch im Bett zufrieden gestellt wurde, hatte sich unser Verhältnis normalisiert; mit etwas gutem Willen konnte man es eine Art Freundschaft nennen. Aber so reizend, wie eben am Telefon, hatte ihre Stimme nur selten geklungen.
    Verena wollte etwas von mir. Doch was auch immer das war, es hatte Zeit.
    Zurück zu meiner Taube:
    Man legt Magen, Herz und Leber mit einem Stück Butter in den Bauch, kann sie aber auch feinhacken, mit eingeweichtem Weißbrot, Ei, Salz, Muskat und Petersilie vermengen und als Füllung verwenden.
    Wenn schon, dann mit Füllung. Also:
    Fett in einer Schmorpfanne erhitzen und Tauben bei geringer Hitze darin braun braten. Man rechnet 1 Taube für die Person.
    Ich hatte zwei Tauben und überlegte gerade, wen ich einladen könnte, als es an meiner Tür klingelte. Ich zog die Küchentür ins Schloss und linste durch den Spion meiner Bürotür.
    Der Mann draußen war Ende zwanzig, hatte einen Ziegenbart und trug eine Baseballkappe. Die bunten Träger, die über sein Hemd liefen, mussten zu einem Rucksack gehören.
    Er sah aus wie der Angestellte eines Pizzadienstes, konnte aber auch ein Fahrradkurier sein.
    Für beides sprach sein professionelles Grinsen, als ich ihm die Tür öffnete.
    »Herr Elmar Mogge?«
    »Ja. Post für mich, muss ich was unterschreiben?«
    »Ah, nein, darf ich wohl hereinkommen?« Er schob sich an mir vorbei. »Rico Skasa, Finanzamt Duisburg-Süd.« Er zeigte mir einen Ausweis.
    »Soll das ein Witz sein?« Mein Blick
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