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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser
Autoren: Niklaus Schmid
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Oberarm. »Schöne Arbeit!«
    »Finden Sie?« Zum ersten Mal bemerkte ich ein Lächeln auf seinen Lippen. »Laflör meint, es müsste eigentlich ein Olivenzweig sein.«
    Ich hob die Hände. »Wieso?«
    »Genau, ist schließlich mein Bier, was ich mir einritzen lasse.
    Außerdem gibt’s hier ja keine Olivenbäume. Aber immer alles besser wissen, typisch Laflör! Oder Rene La Fleur, wie’s auf seinen Visitenkarten steht; die kann er jetzt im Knast rumzeigen, dieser Stinkstiefel!«
    Das Lächeln auf Kallmeyers Gesicht war verschwunden. Er redete sich in Wut. Um ihn abzulenken, fragte ich: »An dem Tag des Rennens, was war da los, bevor ich eintraf?«
    »Wir haben geguckt, was sich bei Laflörs Haus tat. Eine Zeit lang gar nichts. Wir wollten uns schon wieder wegschleichen, als eine Taube über dem Schlag kreiste. Laflör, der im Schatten der Hausmauer gelauert hatte, ging mit der Taubenuhr zum Schlag, um seinen Vogel anzulocken.«
    »Warum?«
    »Er brauchte doch die Teilnehmernummer, die mit einem Gummiring am Fuß befestigt war, um den Zeitstempel drauf zudrücken.«
    »Und tat er das?«
    »Ja, nee, die Taube hob wieder ab und drehte eine Runde.
    Nachdem sie sich schließlich aufs Hausdach gesetzt hatte, stürmte Laflör mit hochrotem Kopf ins Haus. Nach zwei, drei Minuten kam er wieder, mit dem Jagdgewehr in der Hand. Als er auf die Taube, die immer noch auf dem Hausdach saß, anlegte, traten wir aus dem Gebüsch. Junge, Junge, ist der Laflör zusammengefahren vor Schreck. Und geschämt hat er sich, das konnten wir sehen, als er sich zu uns umdrehte, mit dem Gewehr im Anschlag.«
    »Geschämt?«, hakte ich ein.
    »Na, jetzt war doch arschklar, dass er selber seine Tauben abschoss. Wenn das nicht peinlich ist für einen Sportsfreund.«
    »Ja, schon. Aber warum wollte Laflör den ersten
    Taubenmord Ihrem Freund Bodach anhängen?«
    Kallmeyer wiegte den Kopf. »Na ja, bei einem Vereinsfest haben sich Bodach und Laflörs Frau mal ein bisschen zu lange in die Augen geschaut, vielleicht auch ein wenig miteinander geturtelt. Laflör hat das rausgekriegt, der war eifersüchtig. Und dann noch diese peinliche Situation. Als Bodach so auf ihn zuging und dabei auch ein wenig drohend grinste – da ist der Laflör eben durchgedreht. Bumm! Aber das haben Sie ja noch mitbekommen.«
    »Und Laflörs Taube, die versagt hatte?«
    »Wie meinen Sie das?« Kallmeyer kratzte sich am Bauch.
    »Ich meine, wo war die Taube zu genau diesem Zeitpunkt?«
    »Soll das ein Verhör sein, Kumpel?«
    »Nö, interessiert mich nur, wie Tauben sich so verhalten, wenn ein Schuss kracht.«
    »Ach so, ja, nee, die ist wohl aufgeflogen.«
    »Tja, dann – danke, Herr Kallmeyer, ich habe eine Menge gelernt, über Tauben und über Ihren Verein. Kann ich denn mal zugucken, beim nächsten Rennen?«
    »Da gibt’s eigentlich nichts zu sehen. Die Tauben kommen in Kästen und ab geht’s. Sonst noch was?« Er hakte die Daumen in den Hosenbund.
    »Der Auftrag…«
    »Ist doch alles erledigt.« Kallmeyer blickte zur Decke. Alles, was nichts mit Tauben zu tun hatte, schien ihn zu langweilen.
    »Ja, da wären dann noch meine Auslagen.«
    »Auslagen?« Er hob die Stimme, nahm die Hände vom Bauch. »Mein Kumpel ist tot und da fragen Sie nach Auslagen.
    Menschenskind, Sie haben Nerven!«
    Mit hängenden Armen stand er vor mir. Plötzlich schossen seine Hände nach vorn. Ohne Ansatz, ohne den Blick aufs Ziel zu richten, griff Kallmeyer nach zwei Tauben, die vor ihm auf einer Stange saßen; und mit einer Bewegung, die auf lange Übung schließen ließ, drehte er ihnen die Köpfe um.
    »Auch Verlierer?«, fragte ich.
    »Nee, Jungtiere, aber aus denen wäre nie was geworden.« Er schob das Kinn vor: »Da, können Sie mitnehmen.«
    Kallmeyer wandte mir den Rücken zu, für ihn war der Fall erledigt.
    Der Umstand erinnerte mich daran, dass der Verband der Detektive seinen Mitgliedern riet, mit den Klienten stets Verträge abzuschließen. Das sollte ich mir für die Zukunft merken. Im Moment jedoch sah es so aus: Kein Auftrag, keine Spesen, dafür fuhr ich mit zwei toten Tauben nach Hause.
    In Marxloh schaltete ich die Scheibenwischer ein. Vor mir glitzerten die nassen Straßenbahnschienen. Passanten eilten an Häusern vorbei, die mal bessere Tage gesehen hatten, jetzt aber nur noch Billigläden beherbergten. Der braven Kneipe neben einem schrillbunten Matratzenparadies hatte der Wirt den Namen Beverly Pub verpasst. Und selbst der italienische Eissalon mit seinen
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