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Der Bienenfresser

Der Bienenfresser

Titel: Der Bienenfresser
Autoren: Niklaus Schmid
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Sonnenschirmen und weißen Stühlen wirkte grau und traurig.
    Es gab eben Zeiten, da sollte man am besten gar nicht vor die Tür gehen.
    Am alten Hamborner Rathaus überlegte ich kurz, ob mein Arbeitstag so enden durfte. Dann trat ich auf die Bremse und kehrte um.
    5.
    Die Klingel funktionierte nicht, deshalb klopfte ich an die Tür und nannte meinen Namen. Ein Hund schlug an. Es dauerte eine Weile, dann hörte ich zaghafte Schritte. Die blonde Frau öffnete die Tür und ich blickte in ein verweintes Gesicht, Augen und Nase waren gerötet. Über eine ausgewaschene Jeans hatte sie ein Männerhemd gestreift, an den Füßen Holzschuhe mit blauen Lederkappen, wie sie vor Jahren mal Mode waren.
    »Frau Laflör, Sie hatten heute Morgen auf meinen
    Anrufbeantworter gesprochen.«
    »Kommen Sie doch bitte herein.« Sie schniefte in ein Taschentuch, das sie anschließend in den aufgekrempelten Ärmel steckte.
    Ein alter Schaukelstuhl stand am Fenster, die übrigen wenigen Möbel waren neu, Umzugskisten standen in den Ecken. Aus einer teuren Musikanlage drang leise Musik.
    Norwegian Wood.
    »Eines der schönsten Beatles-Stücke«, sagte ich.
    »Ich glaube, es handelt von Glück und Verlust und dass beides recht unerwartet kommt. Es trifft meine Stimmung.«
    Nachdem wir kurz über den tragischen Vorfall und die Festnahme ihres Mannes gesprochen hatten, kam Frau Laflör zum Punkt: Sie wollte meine Dienste in Anspruch nehmen.
    Hier ging es um Totschlag, möglicherweise gar um Mord, zumindest jedoch um fahrlässige Tötung. Nicht unbedingt mein Gebiet.
    »Der Kommissar hat mir gesagt, dass Sie privater Ermittler sind. Ihr Name steht im Telefonbuch, der einzige Mogge; es war einfach, Ihre Telefonnummer herauszufinden, und dann doch eine Überwindung, Sie anzurufen. Falls Kallmeyer nicht Ihr Klient ist, würden Sie…?«
    Sie unterbrach sich, als sie merkte, dass ich mich nach einer Sitzgelegenheit umschaute. Während sie einen Stuhl von Kindersachen freiräumte, bat ich: »Könnten Sie mir zunächst erzählen, was Sie gesehen haben?«
    »Nicht viel. Das habe ich auch schon der Polizei gesagt, die übrigens sehr nett und rücksichtsvoll war.«
    Nun, wie ich Kommissar Tepass einschätzte, hatte der nicht aus Rücksichtsnahme auf unangenehme Fragen verzichtet, sondern weil der Fall für ihn bereits klar war.
    Ich war mir nicht so sicher, erkundigte mich nach Kleinigkeiten, die Frau Laflör womöglich unbeachtet gelassen hatte, ermunterte sie durch Nicken und sagte schließlich: »Wie kann ich Ihnen helfen, Frau Laflör?«
    »Nicht mir, meinem Mann.«
    »Schon richtig. Aber wie? Ich habe nichts gesehen.
    Kallmeyer hingegen stand keine drei Meter entfernt, als der Schuss losging. Und er hat ausgesagt, dass Ihr Mann ganz bewusst das Gewehr auf Bodach gerichtet habe. Es sieht nicht gut aus.«
    »Aber Rainer hatte gar kein Motiv.«
    »Rainer?«
    »Rene. Ich nenne ihn immer Rainer und eigentlich heißt er ja auch so. Irgendwann hat er sich Rene genannt, weil’s, wie er meint, mehr hermacht.«
    Mir fiel ein, dass es bei Rainer Maria Rilke, zunächst Rene Maria, genau andersherum gewesen war.
    »Rene La Fleur macht mehr her als Rainer Laflör…«, wiederholte ich, »… bei den Frauen?«
    Sie zuckte zusammen und es sah aus, als wolle sie empört reagieren. Doch dann fasste sie einen anderen Entschluss. »Ja, die Frauen, er kann es nicht lassen, ist hinter allen her.«
    »Auch hinter den Ehefrauen der Vereinskollegen?« Sie legte die Fingerspitzen an die Stirn. »Ja, auch.«
    »Ich kenne nur die Frau des Vereinsvorsitzenden, aber ich schätze mal, dass hier in Walsum nicht gerade jeden Tag ein Schönheitswettbewerb aus getragen wird.«
    »Er ist nicht wählerisch, sagt immer, auch die älteren und die dickeren Frauen hätten ein Recht auf Beachtung.«
    »Ist ein Standpunkt. Teilen Sie ihn?«
    »Ich habe mich damit abgefunden. Männer ändern sich nicht, sind wohl wie Kater, wenn’s einmal drin ist, geben sie’s nie mehr auf.«
    Ein hilfloses Lächeln trat in ihre Augen, die trotz der Tränen ausgesprochen schön waren, seegrün und grau, wo sie nicht vom Weinen rot geädert waren.
    »Und weil das so ist, haben Sie sich revanchiert und mit Horst Bodach geflirtet?«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sagt Kallmeyer. Und das sei auch das Motiv, warum Ihr Mann auf Bodach geschossen habe. Eifersucht!«
    Wieder erschien dieser Ausdruck der Empörung in ihrem Gesicht, doch einen Augenblick nur. »Bodach?«, sagte sie abfällig. »Sie wissen, wie er
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