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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch
Autoren: G Haderer
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… Briefe, anonyme Anrufe, Mails …?“
    „Wenn, dann hat er mir nichts davon erzählt … das hat sich auch beruhigt, seit er nicht mehr in der vordersten Reihe sitzt …“
    Schäfer ging zum Eingang der Laube, räusperte sich, nachdem weder Bergmann noch Frau Born von ihm Notiz genommen hatten, und stellte sich der Frau vor.
    „Angesichts der Umstände“, bemühte sich Schäfer, dem brutalen Mord ein sachliches Gewand umzuhängen, „also dass wir es hier mit einem Raub zu tun haben, ist sehr unwahrscheinlich. Auf den ersten Blick gibt es auch keine Einbruchspuren … möglicherweise hat Ihr Mann den Täter sogar selbst ins Haus gelassen.“
    Frau Born sah Bergmann an, als erwarte sie eine Übersetzung dessen, was Schäfer eben gesagt hatte.
    „Gibt es Bekannte, Freunde, Verwandte, die Ihren Mann regelmäßig besucht haben?“, fuhr Bergmann fort.
    Die Frau tupfte sich mit einem Taschentuch die zerflossene Wimperntusche von den Wangen, schnäuzte sich mit abgewandtem Gesicht und schüttelte den Kopf.
    „Ein paar alte Parteifreunde … Alfons, sein Schachpartner … unsere Tochter … aber die hat sich schon seit einem halben Jahr nicht blicken lassen …“
    „Wäre es Ihnen möglich, eine Liste aufzustellen mit allen Personen, die Ihnen einfallen?“
    „Selbstverständlich“, antwortete sie und starrte auf die Tischplatte, bis das Läuten ihres Handys sie aus ihren Gedanken riss. Sie stand auf und stellte sich mit dem Rücken zu den beiden Beamten an das Holzgeländer der Laube. Schäfer sah seinen Assistenten an, hob das Kinn und zog die Augenbrauen hoch, was Bergmann als Frage nach neuen Informationen interpretierte und den Kopf schütteln ließ. Schäfer, der eigentlich wissen wollte, ob die Frau glaubwürdig war, versuchte nun, dem Telefongespräch zu folgen, konnte aber nur ein paar Satzfetzen aufschnappen. Ja … nein … gerade hier … nicht da … zum Glück … ja … beim Pavillon. Als Frau Born auflegte, zerrieb Schäfer gerade ein paar weiße Blüten in seiner Hand, gedankenlos von einem kleinen Strauch gerupft, der in einem Terrakottatopf neben ihm stand. Ein starker Duft stieg ihm in die Nase. Hm, wie der Tee im Chinarestaurant, dachte er und warf die Blütenreste verlegen in die Wiese, nachdem ihm Frau Born einen verständnislosen Blick und das Wort „Jasmin“ zugeworfen hatte.
    „Meine Schwester … sie ist auf dem Weg hierher … wenn Sie nichts dagegen haben, würde ich gerne …“
    „Natürlich“, erwiderte Bergmann im Aufstehen und reichte ihr mit einer leichten Verbeugung die Hand, „wir melden uns bei Ihnen. Und sollte Ihnen inzwischen …“
    „Dann rufe ich Sie an, selbstverständlich, Herr Inspektor“, meinte sie beherrscht, begleitete sie ein paar Schritte in Richtung Haus und blieb dann wie angewurzelt stehen. Schäfer und Bergmann hielten ebenfalls inne, wandten sich ihr zu und kauten unschlüssig auf den Lippen. Einen Augenblick später löste sich Frau Born aus ihrer Erstarrung und fiel ihrer Schwester in die Arme, die, von den beiden Polizisten unbemerkt, über den Rasen gekommen und auf sie zugetreten war. Theater, ging es Schäfer durch den Kopf, der sich nicht vorstellen konnte, dass hinter diesem Chanel-, Hermes- und Perlenpanzer echte Gefühle wohnten.
    Er drehte sich um und deutete Bergmann mit einer Kopfbewegung, ihm zu folgen. Während sie zur Vorderseite der Villa gingen, nahm er sein Handy heraus und rief den Gerichtsmediziner an, der sich im Haus aufhielt. Es sprach nichts dagegen, dass sie die Wohnung betraten. Zur Sicherheit sollten sie aber eine Schutzmaske aufsetzen. An der Eingangstür hantierte einer der Forensiker. Schäfer wechselte ein paar Sätze mit ihm und lieh sich dann dessen Maske aus. Bergmann solle inzwischen draußen warten und Kovacs anweisen, mit dem anderen Polizisten die ersten Nachbarn zu befragen.
    Umständlich stülpte Schäfer die Gasmaske über – zum letzten Mal hatte er so ein Ding wohl beim Bundesheer getragen – und trat in den Vorraum, der mit seinen geschätzten vierzig Quadratmetern eher den Namen Atrium verdiente. Ein erster Eindruck zeugte von einem offen ausgetragenen Geschmackskonflikt der Eheleute: An den Wänden wechselten sich goldgerahmte Landschaftsbilder in freudlosen Ölfarben mit großformatigen abstrakten Gemälden ab, der Treppenaufgang in den Oberstock wurde begleitet von Rotwildgeweih und afrikanischen Stammesmasken. Schäfer ging in Richtung Esszimmer, stolperte über ein paar Regenstiefel und konnte
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