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Der bessere Mensch

Der bessere Mensch

Titel: Der bessere Mensch
Autoren: G Haderer
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favor, meinem Mann ist im Salon ein kleines Malheur passiert, lassen Sie das Silber doch einen Moment liegen und kümmern Sie sich darum. Gracias, Esperanza.
    „Ruhe da oben!“, knurrte Schäfer seinen verrückt dahingaloppierenden Gedanken zu. Er stieß sauer auf und atmete ein paarmal tief durch, noch immer benommen von den Dämpfen, unfähig, sich auch nur ein ungefähres Bild davon zu machen, was in der Villa geschehen sein könnte. Über die Auffahrt sah er drei weiße Schutzanzüge in Richtung Haus gehen, in der rechten Hand den Koffer, in der linken die Gasmaske. Hoffentlich hinterließ das Zeug keine bleibenden Schäden. Schäfer hob eine Hand zum Gruß. Phosphorsäure, wer lässt sich so einen Scheiß einfallen … nun, zumindest die Identität des Toten stand mit hoher Wahrscheinlichkeit fest. Anhand der Kleidung und dessen, was vom Körper übrig geblieben war, hatte die Besitzerin der Villa bestätigt, dass es sich um ihren Mann, Hermann Born, handelte. Der Gärtner hatte ihn kurz vor neun Uhr gefunden, durch die Terrassentür gesehen, als er seinen Arbeitgeber fragen wollte, ob er den Rasen am Vormittag oder besser am Nachmittag mähen sollte. Wegen dem Lärm, verstehen Sie, hatte der geschockte Mann gemeint, wegen dem Lärm, dass Herr Born nicht gestört wird in seinen … was immer er auch um diese Zeit in seinem Wohnzimmer tat. Na, darum brauchen Sie sich jetzt wohl keine Sorgen mehr zu machen, hatte Schäfer geantwortet, bevor er ins Haus gegangen war. Jetzt, im Halbschatten der Magnolie, fragte er sich, woher dieser Sarkasmus kam, mit dem er in letzter Zeit seine Mitarbeiter des Öfteren verstörte. Noch eine Nebenwirkung der Medikamente? Oder bloß eine natürliche Schutzfunktion, um sich diesen ganzen Wahnsinn nicht mehr so nahegehen zu lassen. Wer waren denn die schärfsten Zungen, wenn nicht die Gerichtsmediziner, Mordermittler, Rettungswagenfahrer … wir sprühen unser geistiges Gift wie andere Unkrautmittel, dass es uns nicht zuwuchert, parasitär aussaugt, dachte Schäfer, wunderte sich kurz über diese poetische Anwandlung und stand dann mit einem Stoßseufzer auf.
    „Wo ist Bergmann?“, rief er Kovacs zu, die gerade konzentriert in ein Notizbuch schrieb.
    „In der Gartenlaube, hinter dem Haus“, erwiderte Kovacs, und als er sich auf den Weg dorthin machte, fügte sie rasch hinzu: „Mit Frau Born!“, was Schäfer als dezenten Hinweis interpretierte, dass er sich in Anwesenheit der Witwe zu benehmen hätte.
    Gemächlich ging er auf die Gartenlaube zu, blieb kurz davor stehen und hörte der Befragung zu, die sein Assistent wie gewohnt einfühlsam durchführte. Etwas, das Schäfer in den letzten Wochen ein wenig abhandengekommen war, wie er sich selbst eingestehen musste. Zuletzt hatte er einen Jugendlichen an den Haaren durch den Verhörraum geschleift; hätte dessen Vater nicht Verständnis für diese Überreaktion aufgebracht, wäre Schäfer ein Disziplinarverfahren sicher nicht erspart geblieben. Dann der Bulgare, der mit der Hand in die Stahltür des Verhörraums gekommen war, als Schäfer sie eben schließen wollte. Böser Zufall, na, mit dem sechsfach gebrochenen Prätzchen wird er jedenfalls kein Messer mehr führen können, hatte der Arzt anbiedernd gemeint, was Schäfer bewogen hatte, ihn einen Faschisten zu schimpfen. Er hatte sich nicht unter Kontrolle; schrieb es den Tabletten zu, die er seit zwei Monaten nahm: Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, die ihm sein Therapeut verschrieben hatte, um die Depressionen und Panikattacken loszuwerden, die ihn fast zwei Jahre lang gepeinigt hatten. Aggressionsschübe und euphorische Phasen waren als Nebenwirkungen bekannt – das wird sich legen, hatte ihm der Arzt versichert, notfalls solle er übergangsweise leichte Tranquilizer nehmen. Na sicher nicht! Zum ersten Mal seit sehr langer Zeit ging es ihm gut, wirklich gut; er war konzentriert, arbeitete schnell und vor allem gern, trieb mindestens viermal die Woche Sport … das würde er sich nicht nehmen lassen; und wenn sich ein paar Strolche deswegen hin und wieder eine Ohrfeige einfingen oder ein paar Knochen zu Bruch gingen: Berufsrisiko.
    „Natürlich hatte er Feinde“, hörte Schäfer die Frau sagen, „Sie haben doch bestimmt seine politische Laufbahn verfolgt … er hat mehr Feinde als Freunde gehabt … vor allem nach dieser unappetitlichen Geschichte damals …“
    „In den letzten Wochen“, setzte Bergmann fort, „hat es da irgendwelche Drohungen gegeben
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