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Der Außenseiter

Der Außenseiter

Titel: Der Außenseiter
Autoren: Minette Walters
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schicken, wenn sie gewusst hätten, wo Cill sich aufhielt? Sie behauptet, Louise hätte es nie geschafft, die Sache für sich zu behalten. Die Kinder in der Schule hätten ihr ja unaufhörlich wegen der Schlägerei am Freitag zugesetzt.«
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    »Und warum haben sie sie dann von Mittwoch an herausgenommen?«, fragte Jonathan.
    »Aus den Gründen angeblich, die auch Louise und William genannt haben. Sie bekam ständig Panikattacken. Ihr Vater holte einen Arzt, der einen Schock diagnostizierte und ihr Beruhigungsmittel gab. Eigentlich wollten sie Louise langsam wieder an die Schule gewöhnen, aber angesichts der Ermordung von Grace und Cills Verschwinden riet der Arzt ihnen, woanders einen neuen Anfang zu machen. Er half ihnen sogar mit einem Schreiben an das Wohnungsamt, in dem er einen Umzug empfahl.« Sasha zuckte mit den Schultern. »Ich habe Mrs. Burton auf die gefärbten Haare und die Namensänderung angesprochen, und sie sagte, das hätten sie nur getan, um Louise Mut zu machen.
    Sie habe sich selbst auch die Haare gefärbt, um ihrer Tochter das neue Leben zu erleichtern. Über den sexuellen Missbrauch war mit ihr nicht zu reden.
    Ihr zufolge hat es dergleichen nie gegeben – Louise habe diese Geschichte nur erfunden, um damit ihren Absturz ins Drogen- und Zuhältermilieu zu entschuldigen.«
    »Was hat Mr. Burton dazu gesagt?«
    »Sehr wenig«, antwortete Bartholomew. »Ich weiß nicht, ob ihm klar war, dass er von seiner Frau nichts zu erwarten hat, wenn Louise die Missbrauchsvorwürfe an die Öffentlichkeit bringt, aber er schaffte es immerhin, sich ein bisschen auf-679

    zuplustern. Die Vorstellung war nicht sehr überzeugend. Er wurde kreidebleich, als Sasha wiederholte, was William ihr über seine Besuche in Louises Schlafzimmer erzählt hatte. Er hatte offensichtlich geglaubt, sein Sohn hätte nichts gemerkt.«
    »Wahrscheinlich würde er genauso reagieren, wenn er unschuldig wäre«, sagte George, um dem Mann Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. »Das sind schreckliche Vorwürfe – und sehr beängs-tigend, wenn sie von den eigenen Kindern vorgebracht werden.«
    »An dem Missbrauch gibt es keinen Zweifel«, erklärte Bartholomew. »Er hatte auf nichts eine Antwort. Er konnte nicht erklären, was er in ihrem Schlafzimmer zu suchen hatte. Warum er sie in aufreizender Kleidung und mit geschminktem Gesicht herumlaufen ließ. Oder wie er dazu kam, ihre Freundinnen auf den Schoß zu nehmen. Wenn wir mit ihm allein gewesen wären, hätte er garantiert reinen Tisch gemacht – aber Sasha hat schon Recht, die gute Eileen ist eine ausgesprochen harte Nuss.«
    »Hat sie die Wahrheit gesagt?«, fragte George.
    »Worüber?«
    »Über irgendetwas, ganz gleich.«
    »Ich würde sagen, dass sie ehrlich war, als sie uns erklärte, was sie damals wusste«, erwiderte Bartholomew. »Ob sie seither darauf gekommen ist, dass hinter ihrem Rücken einiges passierte – und 680

    beschlossen hat, es einfach zu verdrängen –, weiß ich nicht.«
    »Dann war Louises Behauptung, sie habe ihrer Mutter gesagt, dass Cill sich in Grace’ Haus aufhielt, gelogen?«
    »Unserer Ansicht nach, ja.«
    »Und Robert?«
    »Er hat es sehr energisch bestritten. Wir haben ihm geglaubt.«
    »Dann haben wir also nur Louises Wort dafür, dass Cill je dort war?«
    »Ich fürchte, ja.«
    »Und das reicht nicht aus, um Roy Trent zu ver-urteilen?«
    »Nein. Er kann sich auf das Beweismaterial von damals berufen, demzufolge lediglich Grace Jefferies’ und Howard Stamps Fingerabdrücke gefunden wurden.«
    Es blieb einen Moment still.
    »Und wo liegt nun diese kleine Diskrepanz?«, fragte dann Jonathan.
    »Sie betrifft die Narben an Nicholas Hursts Arm«, erklärte Sasha. »Er ist Rechtshänder, und sie befinden sich an seinem rechten Unterarm. Die Verletzung hatte einen leichten Muskelschwund zur Folge, außerdem ist die rechte Hand nicht mehr so beweglich. Er kann den kleinen Finger nicht mit seinem Daumen berühren. Das ist typisch für eine Schädigung des Mittelhandnervs, und die Heilung 681

    dauert lange. Manchmal bleibt, wie bei Hurst, ein dauernder Funktionsverlust zurück.«
    Jonathan war ihr schon voraus. »Und es ist nicht der Hirnverletzung zuzuschreiben?«
    »Es ist zumindest sehr unwahrscheinlich, dass das die Ursache ist. Der Arm selbst ist völlig in Ordnung, keinerlei Lähmung. Nur die Hand ist betroffen. Der Arzt sagte ganz klar, dass jemand mit solchen Narben zu Beginn erhebliche Schmerzen gehabt hätte, und die Hand über Monate in
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