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Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)

Titel: Der Augenblick: Reisen durch den unbekannten Alltag (German Edition)
Autoren: Gabriele Goettle
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Andreas Wolff fünfzehn. Er hat ja dann eine Verlagslehre gemacht und später seine Buchhandlung in der Bundesallee eröffnet, 1931 bereits. Nach dem Krieg hat er in Frankfurt mit seinem Freund Peter Suhrkamp zusammen den Suhrkamp Verlag aufgebaut; da war er bis 1955 Geschäftsführer, dann ist er wieder in seinen Buchladen in der Bundesallee gegangen. Also, der Andreas Wolff hatte eine große Familientradition im Rücken, und ich habe unendlich viel von ihm gelernt. Auch über Typographie, z. B. anhand der Herstellung seiner Friedenauer Presse; er hat mir sogar die Frauen vorgestellt, die das noch nähten damals, die Fadenheftung. Also, das war eine absolute Handfertigkeit, diese Knoten zu machen.
    Katja Wagenbach, seine Tochter, macht ja seit den 8oer Jahren ihren eigenen Verlag und hat die Friedenauer Presse sehr erfolgreich weiterentwickelt. Ich weiß noch, damals, 1963/64 war es, da kam Klaus Wagenbach rein in Wolffs Bücherei. Er kam gerade von Max Brod aus Israel, wegen Kafka, und hatte Krach mit dem Fischer Verlag. Bald darauf hat er irgendwie seine Briefmarkensammlung verkauft oder so was und mit Katja – sie war ja damals seine Frau – den Wagenbach Verlag gegründet in der Jenaer Straße. Und zur Verlagseröffnung, da gab es ein großes Fest. Wir sind natürlich hingefahren. Ich hatte damals einen wunderbaren Opel Kapitän übrigens, mit dem bin ich immer mit Wolff … wenn die Tür zufiel, klang das wie bei einem Geldschrank. Perfekt! Gut, also wir trafen dort auf Ingeborg Bachmann, fuhren mit ihr im Aufzug plaudernd hoch, und sie fand das so amüsant, daß sie einfach auf den Abwärtsknopf gedrückt und gesagt hat, reden wir doch noch ein bißchen. Berlin war ja damals wie ein Aquarium; wir sind zu allen Lesungen in die Akademie der Künste gegangen; an Mayröcker erinnere ich mich, an ihr ›Arbeitstirol ‹ , so hieß es, glaube ich, an Thomas Bernhard. Ach, damals lebte Helen Wolff noch, die Frau von Kurt Wolff von Pantheon Press. Und der alte Bondy. Viele dieser wunderbaren Leute sind tot. Es gab natürlich die herrlichsten Lesungen auch in Wolffs Bücherei, da wurde Literaturgeschichte gemacht, kann man sagen. Sie kamen alle, Enzensberger, Uwe Johnson, Max Frisch, Günter Bruno Fuchs, Günter Grass, Nicolas Born und viele andere. Ich erinnere mich noch z. B. an Enzensberger, ich glaube, er stellte Gedichte vor, und an der Hand hatte er seine Tochter mit dem bezaubernden Namen Tanaquil, den habe ich nie vergessen. Viele der Autoren kamen natürlich auch als Kunden, einige wohnten sozusagen um die Ecke. Es ist sehr gut, wenn man von wirklichen Könnern lernt, wenn man so einen König an seiner Seite hat, den man aber eines Tages auch wieder verläßt. Das ist manchmal grausam, aber nötig. Wir haben uns gestritten über linksbündig oder nicht, bei Heinrich Manns Essay ›Mein Bruder‹. Soll das linksbündig sein oder zentriert, und ich sagte, bei der Familie muß es zentriert sein. Der Streit war ausufernd, und mir fehlten dann auch die Argumente. Jedenfalls dachte ich, ich möchte jetzt weg. Es war auch genug mit Berlin.
    Das war also 1969. Ich ging nach Bremen zu meinen tapferen Eltern. Heute geht man nach einer Insolvenz ja ins Gasthaus und bestellt Champagner, damals war das noch furchtbar. Es war ja alles verkauft. Aber Jacobs Kaffee, die hatten ein Grundstück, das haben sie meinem Vater, glaube ich, geschenkt, die waren ja alle in der SPD. Und mein Vater hatte dann mit Tonträgern sich was aufgebaut, deshalb habe ich ja auch diese dämliche Musiksammlung. Die auf dem Flohmarkt sagen immer, Mensch, was du da verkaufst, ist ja unglaublich. Ich könnte dafür natürlich viel mehr Geld verlangen, aber ich bin immer froh, wenn die Kiste leer ist.
    Gut, ich war wieder hier, und ich saß im Garten und wußte nur eins: Nie wieder angestellt sein! Bin viel spazierengegangen und mit dem Fahrrad herumgefahren in der Stadt. Dieses Haus hier war grade im Umbau, davor traf ich Olaf im Blaumann – der Anfang 1980 die Grünen mitgegründet hat. Er ist Architekt und ein scharfer Hund, hat auch wunderbar Aufstand gemacht gegen schreckliche Baupläne. Der stand also hier und sagte: ›Na, willst du einen Laden haben?‹ Und ich bekam einen Laden, erst oben, praktisch auf dem Flur, der war noch viel kleiner als dieser hier. Und ich habe angefangen, meine Bestellungen losgelassen.« Eine Kundin betritt den Laden und fragt in die Runde: »Haben Sie die Einstein-Biographie von Gero von Boehm, ›Wer war
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