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Der Aufbewarier (German Edition)

Der Aufbewarier (German Edition)

Titel: Der Aufbewarier (German Edition)
Autoren: Béla Bolten
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bitte, da haben wir doch wieder einen.«
    Er streckte die rechte Hand aus und schnippte mit den Fingern. Der Polizist verstand sofort und reichte ihm einen Federhalter. Daut machte den Namen Kurt May mit einem dicken Strich unleserlich.
    »Der hier hat längst den ihm zustehenden Platz gefunden.« Er sah zum Polizisten auf, der hämisch grinste.
    Daut gab ihm den Füller zurück.
    »Stempel, bitte.«
    Der Wachhabende drückte einen Stempel auf das Farbkissen. Daut hielt im das Buch hin, und er hinterließ einen sauberen Stempelabdruck unmittelbar neben dem gestrichenen Namen. Daut tippte mit dem Finger auf den Stempel.
    »Schreiben Sie: Verzogen nach Theresienstadt .«
    Die Zungenspitze zwischen den Zähnen, schrieb der Polizist und meinte:
    »Soll ja eine schöne Stadt sein, die der Führer den Juden da geschenkt hat.«
    Als er fertig war, nahm Daut die Kladde erneut und zeichnete den Stempel schwungvoll, aber unleserlich ab. In Druckbuchstaben setzte er unter die Signatur: »Hauptsturmführer«.
    Als er zur Tür ging, nickte er dem Polizisten noch einmal zu.
    »Und wegen so etwas muss man sich die Nächte um die Ohren schlagen.«
     
    Zurück auf der Straße, blieb Daut an der nächsten Ecke stehen und atmete mehrmals tief durch. Teil eins der Operation war erledigt. Der Jude Kurt May existierte nicht mehr in Berlin, er war offiziell nach Theresienstadt gebracht worden. Der zweite Teil würde schwieriger. Er bestieg zum zweiten Mal die U-Bahn und fuhr nach Charlottenburg. Dort hatte der Luftangriff schwere Schäden hinterlassen, in manchen Straßen war jedes Haus in Mitleidenschaft gezogen, und jedes zweite lag vollständig in Trümmern. Er betrat das Polizeirevier in der Kantstraße, Ecke Leibnitzstraße. Jetzt käme alles auf sein Auftreten an. Auch diesmal traf er nur einen Hauptwachtmeister an, der ihn genauso unterwürfig begrüßte wie sein Kollege zuvor in Kreuzberg.
    Daut kam sofort zur Sache.
    »Ich habe es eilig, Mann. Mein Bruder und seine Familie sind ausgebombt, musste sie alle bei mir zu Hause unterbringen. Man hilft ja, wo man kann, aber es ist auch kein Vergnügen, die ganze Bagage auf dem Hals zu haben.«
    Daut lachte, und der Wachtmeister fiel ein.
    »Das glaube ich gerne. Wenn ich mir vorstelle, ich hätte meine Schwiegermutter in der Wohnung ...«
    »Dachte ich mir, dass Sie das verstehen, Hauptwachtmeister. Meine Leute müssen so schnell wie möglich eine eigene Wohnung finden. Dafür brauchen sie erst einmal die Bombenscheine. Als ich hier vorbeikam, dachte ich, die könnte ich doch gleich mitnehmen. Sie sind doch zuständig für die Pestalozzistraße, oder?«
    »Natürlich, Hauptsturmführer. Welche Namen?«
    Daut konzentrierte sich, eher er antwortete.
    »Alter Berliner Adel, mein Lieber. Krause ist der Nachname. Albert, Oskar, Kurt, Maria und Charlotte. Fünf Personen - und alle in meiner Wohnung.«
    Daut atmete hörbar aus. Der Polizist nahm fünf Formulare aus einem Ablagekorb.
    »Pestalozzistraße Nummer?«
    »Siebzehn.«
    Der Hautwachtmeister füllte Formular auf Formular aus und ließ sich den jeweiligen Vornamen nennen. Daut war froh, sich die Namen genau zurechtgelegt und auswendig gelernt zu haben. Der Polizist reichte ihm den Stapel Papiere.
    »Dann viel Glück bei der Wohnungssuche.«
    Auf der Straße musste Daut fast lächeln. Was für eine Komödie. Zum letzten Mal bestieg er an diesem Abend eine U-Bahn in SS-Uniform.
     
    Carla öffnete ihm die Tür der Blindenwerkstatt. Sie erschrak, als sie seine Uniform sah. Auch Kurt, der in Weidts Büro wartete, war das Entsetzen anzusehen.
    »So einem vertrauen wir unser Leben an.«
    »Halt den Mund«, sagte Carla wütend.
    Weidt bat Daut, Platz zu nehmen, der anschließend erzählte, dass in Berlin kein Jude namens Kurt May mehr existiere. Dann legte er die Bombenscheine auf den Tisch.
    »Hier sind fünf echte Bescheinigungen, nach denen eine Familie komplett ausgebombt ist. Auch alle Papiere sind verschwunden. Denn Rest können Sie erklären, Weidt.«
    Der Blinde verbeugte sich leicht vor Daut und atmete einmal tief ein.
    »Mit diesen Scheinen gehen Sie morgen zum Polizeirevier am Hackeschen Markt, Kurt. Dort fragen Sie nach einem gewissen Paul Röver, das ist der Leiter der Meldestelle. Er hilft Menschen in Not und wird Ihnen ohne Nachfragen Papiere ausstellen. Echte Ausweise, wohlgemerkt, mit denen Sie ein freies Leben führen können.«
    Carla jauchzte kurz auf, während Kurt grimmig fragte:
    »Und wie soll ich heißen?«
    »Krause.
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