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Der Archipel in Flammen

Titel: Der Archipel in Flammen
Autoren: Jules Verne
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noch mehr Fahrt abgewonnen haben. Es war ein ganzes Dutzend Schiffe, in gleichem Fahrttempo begriffen, mit Ruderern bemannt, die kräftig auf die langen Riemen drückten.
    Die Korvette, die bei ihrer Größe Ruder nicht setzen konnte, lag nach wie vor unbeweglich auf demselben Flecke, völlig außer stande, etwas anders zu tun als zu warten ... und doch konnte sich an ihrem Bord über die Absichten der Flotte niemand mehr einer Täuschung hingeben.
    "Eine ganze Schwadron verdächtigen Gesindels!" meinte Kapitän Todros.
    "Um so verdächtiger," versetzte d'Albaret, "als ich die Brigg darunter herauskenne, auf die wir gestern in den kretensischen Gewässern vergeblich Jagd gemacht haben!"
    Der Kommandant der "Syphanta" hatte recht. Die hinter der Spitze von Scarpanto so auffällig verschwundene Brigg segelte im ersten Gliede, offenbar mit beschränkter Fahrt, um sich von den andern, unter ihr Kommando gestellten Fahrzeugen nicht zu trennen.
    Inzwischen hatte sich im Osten etwas Wind aufgenommen, der die Bewegung der Flottille stärkte, dagegen etwa zwei Fadenlängen von der Korvette stand.
    Da warf Henry d'Albaret das Fernrohr beiseite, das bis jetzt nicht von seinen Augen gewichen war.
    "Klar zum Gefecht!" rief er.
    In langem Strahle schoß weißer Dampf vom Vorderschiff der Brigg herüber ... und in dem Moment als der Knall eines Feuerschlundes zur Korvette drang, stieg ein Wimpel an der Gaffel der Brigg empor ...
    Ein schwarzes Wimpel mit brandrotem S in der Mitte.
    Das Wimpel Sakratifs, des Korsaren!

Vierzehntes Kapitel.
Sakratif.
    Am Tage vorher war diese aus zwölf Fahrzeugen zusammengesetzte Flottille aus den Schlupfhäfen von Scarpanto hervorgebrochen. Entweder durch Frontangriff oder durch Umzingelung gedachte sie der Korvette, also in beiden Fällen unter den ungünstigsten Bedingungen für diese letztere, auf den Leib zu rücken. Der Korvette blieb, infolge des herrschenden Windmangels, nichts weiter übrig als den Kampf aufzunehmen: dem übrigens Henry d'Albaret unter keinen Umständen, auch bei günstigen Windverhältnissen nicht, ausgewichen sein würde; denn ohne sich in Unehre zu setzen, konnte die Flagge der "Syphanta" nicht vor der Korsarenflagge des Archipels fliehen.
    Unter diesen 12 Schiffen zählte man 4 Briggs mit je 16–18 Kanonen. Die übrigen 8 Fahrzeuge mit geringem Tonnengehalt, aber mit leichtem Geschütz armiert, waren der Gattung nach Saiken, Senalen, Feluken und Sakolewen. Soweit die Korvetten-Offiziere taxieren konnten, waren es annähernd 100 Feuerschlünde, denen sie bloß 22 Kanonen und 6 Karronaden entgegenzusetzen hatten; und der Korvettenmannschaft von 250 Mann standen 7–800 Mann, die sich freilich auf 12 Fahrzeuge verteilten, gegenüber. Auf alle Fälle ein höchst ungleicher Kampf! Immerhin konnte der "Syphanta" zufolge der Überlegenheit ihres Geschützmaterials ein großer Erfolg sicher sein, aber nur dann, wenn es ihr gelang, sich die Schiffe nicht ankommen zu lassen. Alles mußte daran gesetzt werden, den Feind am Entern, den Kampf Mann gegen Mann zu verhindern; denn im letzten Falle mußte der Sieg notwendigerweise der Uebermacht bleiben, ist doch beim Kampf auf See aller Rückzug abgeschnitten: über Bord oder sich ergeben! ein Drittes gibt es nicht!
    Eine Stunde nach Zerteilung des Nebels war die Flottille merklich nahe an die Korvette gerückt, die noch immer so still und ruhig lag wie mitten auf Reede vor Anker.
    Unterdes ließ Henry Fahrt und Manöver der Korsarenschiffe nicht aus dem Auge. An Bord war alles im Nu gefechtsklar. Offiziere und Mannschaft standen auf ihren Plätzen. Wer von den Passagieren kräftig genug war, hatte sich in die Reihen der Mannschaft gestellt und war bewaffnet worden. Tiefe Stille herrschte auf und unter Deck, kaum gestört durch die wenigen Worte, die die beiden Kommandanten wechselten.
    "Keinen Enterhaken heranlassen!" sprach d'Albaret; "lassen wir sie auf Schußweite heran, dann Feuer von Steuerbord!"
    "Grundschüsse oder Mastschüsse?" fragte Todros.
    "Grundschüsse!" entschied d'Albaret.
    Unstreitig das richtigere im Kampf gegen dieses im Entern besonders geschickte, Mann gegen Mann am meisten zu fürchtende Kosarengesindel, und ganz besonders richtig gegen diesen Sakratif, der soeben die Frechheit gezeigt hatte, seine Schwarzflagge zu hissen – der sie ganz gewiß bloß hißte, weil es ausgemacht für ihn war, daß kein Mann von der Korvette mit dem Leben davonkam, um sich rühmen zu können, daß er die Korsarenflagge gesehen
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