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Der Anwalt: The Counselor. Ein Drehbuch (German Edition)

Der Anwalt: The Counselor. Ein Drehbuch (German Edition)

Titel: Der Anwalt: The Counselor. Ein Drehbuch (German Edition)
Autoren: Cormac McCarthy
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Wir sollten über die Steine reden. Der wertvollste Stein ist der rote Diamant. Aus der Argyle-Mine. Ganz selten. Ich habe in einem langen Leben nur zwei zu Gesicht bekommen. Ein fast unglaublicher Preis.
    ANWALT
    Ich will es schon wissen.
    HÄNDLER
    (Lehnt sich zurück und mustert den Anwalt) Tatsächlich?
    ANWALT
    Ja.
    HÄNDLER
    Ach. Tja. Was soll man sagen. Es gibt keine Kultur außer der semitischen. Da haben Sie’s. Die letzte bekannte Kultur davor war die griechische, und danach wird es keine Kultur mehr geben.
    ANWALT
    Das ist eine kühne Behauptung.
    HÄNDLER
    Das Herz jeder Kultur findet sich im Wesen des Helden. Wer ist der Mann, den man verehrt? In der klassischen Welt ist das der Krieger. Aber in der westlichen Welt ist es der Mann Gottes. Von Moses zu Christus. Der Prophet. Der Büßer. Eine solche Gestalt ist den Griechen vollkommen unbekannt. Unvorstellbar. Weil es nur einen Mann Gottes geben kann, nicht einen Mann der Götter. Und dieser Gott ist der Gott des jüdischen Volkes. Einen anderen Gott gibt es nicht. Wir sehen, dass er – wie lautet das Wort? Entwendet wurde. Vom Westen entwendet. Wie stiehlt man einen Gott? Der Jude erblickt seinen Peiniger im Gewand seiner eigenen uralten Kultur. Alles hat eine seltsame Vertrautheit. Aber es passt immer schlecht, und von den Händen tropft immer Blut. Dieser Mantel. Hat der nicht Onkel Chaim gehört? Und was ist mit den Schuhen? Genug. Ich sehe Ihren Blick. Schluss mit der Philosophie. Und vielleicht hat Schiller ja recht. Da die Götter menschlicher noch waren, waren Menschen göttlicher. Die Steine haben ihre ganz eigene Sicht auf die Dinge. Vielleicht sind sie nicht so stumm, wie Sie glauben. Sie wurden aus der Erde herausgepresst, lange bevor es irgendeinen Zeugen gab, doch jetzt sind sie da. Jetzt. Wer wird ihr Zeuge sein? Wir. Wir beide. Hier. (Befestigt einen Stein in der Zange) Dieser Stein ist ein warnendes Beispiel.
    ANWALT
    Ein Diamant als warnendes Beispiel.
    HÄNDLER
    Natürlich. Warum nicht? Allerdings ist wohl jeder Diamant ein warnendes Beispiel. Keine Kleinigkeit, sich das zu wünschen, allerdings unerreichbar. Am endlosen Schicksal des Steins teilzuhaben. Ist das nicht der Sinn des Schmucks? Die Schönheit der Geliebten zu steigern heißt, sowohl ihre Zerbrechlichkeit als auch das Edle dieser Zerbrechlichkeit anzuerkennen. In unseren edelsten Momenten verkünden wir der Dunkelheit, dass wir uns von der Kürze unseres Lebens nicht herabwürdigen lassen. Dass wir uns dadurch nicht kleiner machen lassen. Ich will es Ihnen zeigen. Sie werden schon sehen.
    Abend. Malkina sitzt auf einem Campingstuhl an einem Klapptisch, der mit einem leinenen Tischtuch, Porzellan und Silber gedeckt ist. Auf dem Tisch steht eine brennende Petroleumlampe, und Malkina liest ein Buch. Reiner stellt ein Cocktailglas mit einer Kirsche vor sie hin, beugt sich vor und gießt ihr aus einem Shaker einen Manhattan ein. Sie blickt auf und lächelt. Er geht zum Grill und wendet zwei Filetsteaks. Ein Stück weit dahinter grasen die beiden Pferde. Die angeketteten Geparde rühren sich, einer steht auf, dreht sich um und legt sich wieder hin. Die Frau nippt an ihrem Cocktail.
     
    Abend. Hochgelegene Halbwüste. Reiner und Malkina stehen auf einer Erhebung und betrachten den Sonnenuntergang. Die Sonne ist etwa zur Hälfte untergegangen. Ein riesiger roter Himmel.
    REINER
    Es gefällt dir, weil es dich an Argentinien erinnert.
    MALKINA
    Es ist wie Argentinien. Die Pampas. Aber es gefällt mir nicht deshalb. Es gefällt mir um seiner selbst willen.
    REINER
    Es muss nicht wie etwas anderes sein.
    MALKINA
    Genau.
    REINER
    Erinnere ich dich an jemand anderen?
    MALKINA
    Ja.
    REINER
    Jemand, den du vermisst?
    MALKINA
    Jemand, der tot ist. Ich glaube nicht, dass ich etwas vermisse. Etwas ist da, und dann ist es weg. Ich glaube, es zu vermissen heißt zu hoffen, dass es zurückkommt. Aber es kommt nicht zurück. Das habe ich schon immer gewusst. Schon als kleines Mädchen.
    REINER
    Findest du das nicht ein bisschen kalt?
    MALKINA
    Ich finde, die Wahrheit hat keine Temperatur. Da, weg ist sie.
    Die Sonne erlischt hinter dem Horizont.
     
    Wüste. Die Sonne ist gerade untergegangen. Kahle, tiefviolette Berge zeichnen sich vor einem dunkler werdenden Himmel mit blutroten Streifen ab. In der Ferne das hohe, dünne Jaulen eines Motorrads, das ganz langsam lauter wird. Ganz langsam. Dann rast die Maschine im Bruchteil einer Sekunde, als ganz kurzes Aufblinken von Lichtern, durch den
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