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Der alte Mann und das Meer

Der alte Mann und das Meer

Titel: Der alte Mann und das Meer
Autoren: Ernest Hemingway
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fetzte. Kannst du dich daran erinnern?«
    »Ich kann mich erinnern, wie der Schwanz hin und her schlug und knallte und die Ducht zerbrach, und an das Geräusch von den Keulenschlägen. Ich kann mich erinnern, wie du mich in die Vorplicht warfst, wo die nassen, aufgeschossenen Leinen lagen, und an das Gefühl, wie das ganze Boot bebte, und das Geräusch, als du mit der Keule auf ihn losschlugst, wie um einen Baum zu fällen, und an den süßlichen Blutgeruch überall an mir.«
    »Kannst du dich wirklich daran erinnern, oder habe ich es dir mal erzählt?«
    »Ich erinnere mich an alles, seit wir zum erstenmal zusammen rausgefahren sind.«
    Der alte Mann sah ihn mit seinen sonnenverbrannten, vertrauenden, liebevollen Augen an.
    »Wenn du mein Sohn wärst, würde ich’s riskieren und dich mitnehmen«, sagte er. »Aber du bist der Sohn deines Vaters und deiner Mutter, und du bist in einem Glücksboot.«
    »Darf ich die Sardinen fangen gehen! Ich weiß auch, wo ich vier Köder bekommen kann.«
    »Ich habe meinen von heute übrig. Ich habe ihn eingesalzen in die Kiste getan.«
    »Laß mich vier frische besorgen.«
    »Einen«, sagte der alte Mann. Er hatte seine Hoffnung und seine Zuversicht niemals verloren. Aber jetzt belebten sie sich, wie wenn der Wind aufkam.
    »Zwei«, sagte der Junge.
    »Zwei«, stimmte der alte Mann zu. »Du hast sie doch nicht gestohlen?«
    »Würde ich tun«, sagte der Junge. »Aber diese hab ich gekauft.«
    »Danke«, sagte der alte Mann. Er war zu einfältig, um sich zu fragen, wann er diesen Zustand der Demut erlangt hatte. Aber er wußte, er hatte ihn erlangt, und er wußte, es war nicht entehrend, und es brachte nicht den Verlust echten Stolzes mit sich.
    »Morgen wird ein guter Tag sein, bei dieser Strömung«, sagte er.
    »Wo fährst du hin?« fragte der Junge.
    »Weit hinaus, um reinzukommen, wenn der Wind dreht. Ich will, ehe es hell wird, draußen sein.«
    »Ich werd sehen, daß ich ihn dazu kriege, daß er weit draußen fischt«, sagte der Junge. »Dann können wir dir, wenn du was wirklich Großes anhakst, zu Hilfe kommen.«
    »Er fischt nicht gern zu weit draußen.«
    »Nein«, sagte der Junge. »Aber ich werde etwas sehen, was er nicht sehen kann, so was wie einen fressenden Vogel, und ihn dazu kriegen, daß er rausfährt, hinter den Goldmakrelen her.«
    »Sind seine Augen so schlecht?«
    »Er ist beinahe blind.«
    »Es ist merkwürdig«, sagte der alte Mann, »wo er nie auf Schildkröten Jagd gemacht hat. Das ruiniert die Augen.«
    »Aber du bist doch jahrelang vor der Moskitoküste auf Schildkrötenfang gegangen, und deine Augen sind gut.«
    »Ich bin ein merkwürdiger alter Mann.«
    »Aber bist du jetzt für einen wirklich großen Fisch stark genug?«
    »Ich glaube, ja. Und es gibt viele Kniffe.«
    »Laß uns das Zeug nach Hause bringen«, sagte der Junge, »damit ich den Käscher holen kann, um die Sardinen zu fangen.«
    Sie hoben das Gerät aus dem Boot. Der alte Mann trug den Mast auf der Schulter, und der Junge trug die hölzerne Kiste mit den aufgeschossenen, festgeflochtenen braunen Leinen, den Fischhaken und die Harpune mit dem Schaft. Die Kiste mit dem Köder stand im Heck des Bootes neben der Keule, die benutzt wurde, um die großen Fische, wenn man sie längsseits geholt hatte, zu bändigen. Niemand würde dem alten Mann etwas stehlen, aber es war besser, das Segel und die schweren Leinen mit nach Hause zu nehmen, weil der Tau ihnen schädlich war, und obwohl er ganz sicher war, daß ihm kein Einheimischer etwas stehlen würde, fand der alte Mann, daß es eine unnötige Versuchung sei, einen Fischhaken und eine Harpune im Boot zu lassen.
    Sie gingen zusammen die Straße hinauf zu der Hütte des alten Mannes und gingen durch die offene Tür hinein. Der alte Mann lehnte den Mast mit dem zusammengewickelten Segel gegen die Wand, und der Junge stellte die Kiste und das übrige Gerät daneben. Der Mast war beinahe so lang wie das einzige Zimmer der Hütte. Die Hütte war aus den zähen Knospenscheiden der königlichen Palme, die
guano
genannt wird, gemacht, und in ihr war ein Bett, ein Tisch, ein Stuhl und eine Stelle auf dem erdenen Fußboden, wo man mit Holzkohle kochen konnte. An den braunen Wänden auf den abgeflachten, übereinandergreifenden Blättern der hartfaserigen
guano
hing ein farbiges Bild des Heiligen Herzens Jesu und ein anderes von der Jungfrau von Cobre. Diese Reliquien hatten seiner Frau gehört. Früher hing auch eine kolorierte Fotografie seiner Frau an
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