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Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman

Titel: Der Alte, dem Kugeln nichts anhaben konnten - Roman
Autoren: Aufbau
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wieder. Wir werden Sie gleich wieder sauber haben.«
    Sie schaltete das Licht ein. Randall Jennings lag auf meinem Bett. Aus einem halben Gesicht fixierte ein starres Auge die Schwester. Die weißen Laken waren durchtränkt und schwarz von Blut. Die Wand hinter Jennings, eine Explosion aus roten Schlieren mit vereinzelten rosa und schwarzen Partikeln, erinnerte an ein Werk des abstrakten Expressionismus. An die Wand neben mir hatten blutgetränkte Klumpen aus Gehirnmasse und weiße Splitter der Schädelknochen, die das graubraune Gemisch akzentuierten, das Bild eines makabren Sonnenaufgangs gezeichnet.
    Die Krankenschwester schrie.
    »Ja, ich weiß«, sagte ich und drückte meine Zigarette aus. »Im Krankenhaus wird nicht geraucht.«

49
    Davy Crockett hatte die Schlacht von Alamo. Wyatt Earp hatte die Schießerei am O.K. Corral. John F. Kennedy hatte das Zweite-Weltkriegs-Torpedoboot PT-109. John McCain hatte die grausame Kriegsgefangenschaft im Hanoi Hilton. Ich hatte den Showdown in der geriatrischen Intensivstation. Und You-Tube.
    Ich hatte noch nie von YouTube gehört, bis ich auf dieser Videoplattform berühmt wurde. Es handelte sich allem Anschein nach um eine Website, auf der die Leute seltsame und dämliche kleine Videos auf dem Computerbildschirm betrachten konnten, und sie war äußerst populär. Das war es, womit die jungen Leute ihre Zeit verbrachten, statt zu arbeiten.
    Aber eins nach dem andern: Ich lag auf dem Rücken, die Wunde an meiner Hüfte war aufgerissen und blutete stark. Ärzte schwirrten um mich herum, und eine Transfusion folgte auf die andere. Den größten Teil des Blutes, das nicht von mir stammte, hatten sie bereits entfernt. Dann hob mich jemand auf ein Bett mit Rädern und schob mich in größter Eile in den Operationssaal.
    Der Anästhesist hielt mir eine Maske übers Gesicht und forderte mich auf, normal weiterzuatmen. Der beste Gefäßchirurg im Südosten der Vereinigten Staaten stand bereit, mich wieder zusammenzuflicken. Ich informierte ihn darüber, dass ich Gefallen an bis zu einem gewissen Maße aufregenden Aktivitäten hatte, wie zum Beispiel dem Abknallen von bösen Jungs. Er möge also diesmal seinen Job sorgfältiger ausführen, damit mir beim nächsten Vorfall nicht wieder alle Nähte platzten. DerChirurg eröffnete mir, dass ich in jedem Fall eine Zeitlang nichts Anstrengendes unternehmen dürfe. Mein rechtes Bein sei an zwei Stellen gebrochen, und ich werde daher mehrere Monate oder noch länger im Rollstuhl sitzen. Dann wurde ich bewusstlos.
    Stunden später im Aufwachraum, als die Narkose langsam nachließ und ich trotz aller Tabletten wieder starke Schmerzen zu spüren begann, versuchte ich mich zu erinnern, ob ich wohl kürzlich bei irgendeinem Streit den Kürzeren gezogen hatte. Und in dem Augenblick kamen die Dame von den Lokalnachrichten und ihr Kameramann mich besuchen.
    »Sie sehen aus, als hätten Sie eine furchtbare Nacht hinter sich, Mister Schatz«, sagte sie und hielt mir ein Mikrofon vor die Nase.
    »Da sollten Sie erst mal den anderen sehen«, konterte ich.
    Sie schmunzelte. »Was war das für ein Gefühl, als Sie feststellten, dass der Mann gekommen war, um Sie zu töten?«
    Ich zuckte die Achseln, was wehtat. »Vertraut.«
    Das schien sie ein wenig zu verunsichern, aber ich war erschöpft und besaß nicht die Kraft, es näher zu erläutern.
    Sie gab dem Kameramann ein mir unverständliches Zeichen. »Eine Frage noch, Mister Schatz. Wie ist es Ihnen gelungen, einen verrückt gewordenen Serienmörder zu stoppen?«
    Sie hätte sich einfach den Bericht des Leichenbeschauers ansehen und daraus ihre Antwort entnehmen können. Aber ich hatte viele Nachrichtensendungen im Fernsehen verfolgt und wusste daher, worauf sie hinauswollte. Das hier sollte die Geschichte des beherzten alten Mannes werden, der sich nicht unterkriegen ließ, und von mir wurde erwartet, das Fernsehpublikum mit spirituellen oder zumindest inspirierenden Weisheiten zu beglücken. Aber ich wusste, dass ich in absehbarer Zeit nicht mal in der Lage sein würde, allein aufs stille Örtchen zu gehen, und deswegen kam ich mir überhaupt nicht besonders beherzt vor.
    Also erwiderte ich: »Ich habe ihm mit einem .357 Magnum Revolver ins Gesicht geschossen. Das reicht normalerweise aus.«
    Das also wurde im Fernsehen gesendet, und ich nahm an, dass ich weiter nichts hören würde. Aber ich irrte mich, und den Grund dafür musste Tequila mir erklären. Ich bin noch immer nicht ganz sicher, ob ich
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