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der Agentenschreck

der Agentenschreck

Titel: der Agentenschreck
Autoren: Dorothy Gilman
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neigte sich über ihn und entwand ihm die Pistole. Im nächsten Augenblick stand Debby auf. Hinter ihr
    krachten Schläge und jemand ächzte. Dann sagte Radev: »Der schläft fest.«
    »Debby — Gott sei Dank!« seufzte Mrs. Pollifax.
    »Debby?« wiederholte Philip fassungslos. »Debby ist da?«
    »Hier bin ich«, antwortete Debby gefaßt. »Phil, am Fenster ist ein Seil, an dem du dich hinüberhanteln mußt. Beeile dich, damit wir dir nachkommen können. Geht das?«
    »Mit Vergnügen«, sagte er aus tiefster Seele.
    »Wir können nicht alle das Seil benützen. Die Zeit ist zu knapp«, sagte Radev. »Ich habe Miroslavs Pistole. Wie wär's, Mrs. Pollifax. Riskieren wir die Treppe?«
    »Ja.« Mrs. Pollifax griff nach Debbys Hand und drückte sie.
    »Warten Sie nicht zu lange, ja?«
    »Bestimmt nicht«, versprach Debby.
    Mrs. Pollifax und Radev gingen durch den Korridor zur Treppe. Eine Gans watschelte ihnen entgegen. Radev fing sie ab und drückte sie Mrs. Pollifax in die Arme. So rasch sie in der Finsternis zu laufen wagten, eilten sie die Treppe hinunter, jeden Augenblick darauf gefaßt, entdeckt zu werden. Sie erreichten den untersten Treppenabsatz und dann den Innenhof.
    Jetzt begriffen sie, warum ihnen niemand entgegengekommen war: Nach der Explosion
    hatte es zu brennen begonnen. Schwarzer Rauch hing über dem Hof. Sie sprangen in den
    Lastwagen, Radev stieß zurück, und sie fuhren durchs erste Tor. Beim zweiten Tor rief
    Radev den einsamen Posten im Schilderhäuschen an.
    Der Mann kam angelaufen. Vor der erstaunten Mrs. Pollifax fiel Radev dem Posten lachend ins Wort, nahm ihr die Gans ab und warf sie dem Mann zu. Und schon öffnete der Posten
    ihnen das Tor.
    »Er hat mich nur wegen des Feuers gefragt«, sagte Radev.
    »Ich habe ihm gesagt, daß es heute abend gebratene Gänse gibt.«
    Sie passierten das Tor. Im selben Augenblick flammten die Lichter im Panchevsky-Institut wieder auf, und die Sirenen heulten los. Mrs. Pollifax sah auf die Uhr: Es war genau drei Uhr siebenundzwanzig. »Es ist vorbei, Radev«, sagte sie verwirrt. »Und wir leben noch!«
    »Anfängerglück, eh, Genossin Pollifax?«
    Nach wenigen Minuten hatten sie den vereinbarten Treffpunkt in einem Park am Stadtrand
    erreicht. Und das Schönste daran war, daß Debby, Boris und Philip ihnen im Wagen folgten.

22
    Vor dem Hotel Rila fegte ein Mann den Gehsteig. Der Himmel war schon hell und färbte sich im Osten rot. Auf den Hotelstufen drehte sich Mrs. Pollifax um. Ein letztes Mal sah sie Georgi in dem kleinen blauen Wagen abfahren. Dann betrat sie die Halle. Sie war wieder korrekt als Touristin gekleidet. Ein dösender Nachtportier schreckte aus seinen Träumen und sah sie vorwurfsvoll an. Sie schrieb ihm ihre Zimmernummer auf, und er reichte ihr den Schlüssel. Er gab ihr auch ihren Paß, der im Fach gesteckt hatte, und sie schob ihn in ihre Handtasche.
    Im Fahrstuhl übermannte sie plötzlich tiefe Niedergeschlagenheit. Wie dumm von mir, ermahnte sie sich. Sie hatten das Panchevsky-Institut ohne Blutvergießen gestürmt und mehr Erfolg gehabt, als sie zu hoffen gewagt hatten. Außerdem konnten sich fünf Menschen mit den Pässen, die sie Tsanko übergeben hatte, in Sicherheit bringen, und für Mrs. Bemish und Assen Radev fing damit überhaupt ein neues Leben an. Es ist nur die Müdigkeit, dachte sie.
    Sie malte sich aus, wie sie, Debby, Philip und Mrs. Bemish am Montag einander in Zürich vor der Bank begrüßen würden, zu der Petrov Trandafilov das Lösegeld brachte. Aber selbst diese Vorstellung heiterte sie nicht auf.
    Sie dachte an Philips starres Staunen, als er sie wiedergesehen hatte, oder an das flüchtige Grinsen Assen Radevs, und an seine Worte: Anfängerglück, eh, Genossin Pollifax? Aber vor alle Erinnerungen schob sich eine andere Stimme, die sie niemals vergessen würde: Wäre es nicht möglich, daß wir beide keine Fachleute sind?... Ich bin ein guter Kommunist, ein Patriot und auch — Gott steh mir bei — ein Humanist...Ich habe Sie sehr lieb gewonnen, Amerikanski...
    Der Fahrstuhl öffnete sich in der sechsten Etage. Sie ging durch den Korridor zu ihrem Zimmer und steckte den Schlüssel ins Schloß. Jetzt vermißte sie Debby, aber die fuhr allein zum Flughafen, sobald sie Philip geholfen hatte, sich in Anton Schönstein zu verwandeln, einen Deutschen mit deutschen Ausweisen und deutscher Garderobe. Sie öffnete die Tür, knipste das Licht an, hob den Koffer vom Schrank und trug ihn aufs Bett. Dann ging sie zum
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