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Der 7. Lehrling (German Edition)

Der 7. Lehrling (German Edition)

Titel: Der 7. Lehrling (German Edition)
Autoren: Volker Hesse
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kann. Wir werden uns anstrengen müssen, damit alle Lehrmeister weiter ihrem ehrenvollen Auftrag nachkommen können, denn immerhin werden in diesem Jahr sieben Gesellen auf Wanderschaft gehen. Und sieben Plätze müssen unbedingt wieder besetzt werden.“ Zustimmendes Murmeln in der Versammlung.
    „Ihr alle wisst, dass die Zeiten lange vorbei sind, als die Lehrlinge von allein zu uns kamen. Die Menschen haben uns fast vergessen. Sie reden höchstens noch in Geschichten über uns. Wie sollen da die Kinder, die wir suchen, erkennen, welches Talent in ihnen schlummert? Ja, es ist sehr schwierig geworden. Deshalb sage ich nach wie vor: Es war eine gute Entscheidung, den Gesellen die Suche nach Lehrlingen als ständigen Auftrag für die Jahre ihrer Wanderschaft mitzugeben. Ich weiß, dass nicht alle hier dafür waren. Und ich weiß auch, dass einige nach wie vor Vorbehalte gegen diese Entscheidung haben. Sicher, die Gesellen sind unerfahren. Aber im Gegensatz zu uns Alten kennen sie noch sehr genau das Gefühl, ein besonderes Talent zu haben und nicht zu wissen, wie man damit umgehen soll. Und … “, er machte eine Pause, um seinen Worten mehr Bedeutung zu verleihen, „… immerhin wurden zwei unserer vier diesjährigen Anwärter von Gesellen auf der Wanderschaft entdeckt!“
    Als die Teilnehmer der Versammlung ihrer Überraschung und auch ihrem Unglauben mit hin- und herfliegenden Worten Luft machten, huschte ein kleines zufriedenes Lächeln über Korbinians Gesicht.
    Er hatte lange dafür kämpfen müssen, die Gesellen mit diesem zusätzlichen Auftrag auf den Weg schicken zu dürfen. Fast alle waren am Anfang dagegen gewesen. Das hatte es noch nie gegeben, Grünschnäbel mit derart wichtigen Aufträgen zu versehen! Aber er war hartnäckig geblieben. Es war ihm nicht ganz klar, ob es nun diese Hartnäckigkeit war oder die Tatsache, dass er vor wenigen Jahren zum Oberhaupt der Gemeinschaft gewählt worden war und der Widerstand deshalb nach und nach weniger wurde. Natürlich gefiel er sich selbst am besten darin, es seiner Überzeugungskraft zuzuschreiben. Naja, das war eigentlich auch gleichgültig. Denn selbst wenn die Zustimmung zu seinem Plan nur darauf zurückzuführen gewesen wäre, dass niemand mehr seiner ewigen Lamentiererei ausgesetzt sein wollte: Im Augenblick zählte nur die Tatsache, dass zwei der wandernden Gesellen erfolgreich gewesen waren.
    Noch einen kurzen Moment genoss Korbinian in aller Stille seinen kleinen Erfolg, bevor er fast unmerklich mit den Fingern ein paar schnelle Bewegungen in der Luft machte und wie aus dem Nichts eine große Landkarte an der Wand über dem Kamin erschien. Sofort trat Ruhe ein. Die Versammlung wandte sich dem Kamin zu.
    Auf der Karte waren vier Ansiedlungen mit roter Farbe umkreist. Korbinian erhob sich und deutete nacheinander auf die Markierungen. „Das sind die Orte, aus denen unsere diesjährigen Lehrlinge stammen. Volzum. Merlehusen. Falkenberg. Und Neuenweg.“ Die Kreise begannen sanft zu leuchten, sobald der dazugehörende Name fiel. „Ich bitte Euch nun, das Ergebnis Eurer Suche auf der Karte einzutragen.“
    Ohne dass eine Bewegung zu sehen gewesen wäre, leuchteten zwei weitere Kreise auf der Karte auf: Wasserfall und Rotstock. Wieder ging ein Zischen und Murmeln durch die Versammlung, diesmal allerdings deutlich enttäuscht.
    Korbinian wandte sich den Versammelten zu. Alle Zufriedenheit war aus seinem Gesicht verschwunden; es war mit einem Mal fast weiß geworden. „Sonst niemand? Wirklich niemand?“
    Er setzte sich auf seinen Stuhl und schaute in die Runde. Alle blickten vor sich auf den Tisch oder suchten Wände und Decke nach klugen Fragen, den dazu passenden Antworten oder nach der rettenden Idee ab. Sie alle hatten in ihren Häusern diese Landkarte, die erst vor wenigen Wochen so wie jeden dritten Vollmond durch einen Boten ergänzt worden war. Sie hatten alle befürchtet, dass es diesmal knapp werden würde. Aber dass es dann tatsächlich nicht klappen sollte, daran hatte keiner geglaubt.
    „Eine Katastrophe“, sagte Korbinian nach einer langen Stille. Seine Stimme war fast ein Flüstern. „Sechs sind zu wenig, dass ist euch allen klar. Wenn wir es nicht schaffen, bis zum übernächsten Vollmond den siebten Lehrling hier in Filitosa begrüßen zu dürfen, wird unser Zuhause ohne jeden magischen Schutz sein! Sieben mal sieben Lehrlinge geben einen Teil ihrer Kraft für die Zauber, die jeden Menschen ohne die
Gabe
an unserem Dorf vorbeiziehen
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