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Depesche aus dem Jenseits

Depesche aus dem Jenseits

Titel: Depesche aus dem Jenseits
Autoren: Pierre Bellemare
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Paris gut aus. Bei den meisten Leuten, die sonst von Hotels abgeholt werden, ist es zum Verrücktwerden! Sie sind alle nervös, haben es immer eilig, und die Taxis müssen wahre Kunststücke vollbringen, um sich durch das Verkehrschaos durchzuschlängeln. Jean-Baptiste Cartant kann diese höllischen Fahrten nicht ausstehen. Er ist ein gemütlicher Mensch und rast selbst für ein gutes Trinkgeld nur äußerst ungern durch die hoffnungslos verstopften Straßen und Stadtautobahnen!
    Heute hat er also Glück mit seinem ersten Kunden. Gutgelaunt schaltet er das Autoradio an, stellt sein Taxi direkt vor dem Hotel »Lancaster« ab und wartet geduldig. Er wartet ganze 10 Minuten. Aber er hat ja Zeit, und die Taxiuhr läuft sowieso — ob er nun fährt oder steht. Kurz vor halb Acht kommt Monsieur Riquelinque aus dem Hotel: Ein großer, schlanker Mann mit grauen Haaren und grauem Flanell. Selbstverständlich trägt er den dazugehörigen Aktenkoffer — das obligatorische Accessoire aller Geschäftsleute dieser Welt! Vor ihm schwänzelt der Hotelportier zum Wagen, öffnet diensteifrig die Tür, schiebt mit einer Hand einen kleinen Lederkoffer auf den Rücksitz und hält die andere frei und offen für das Trinkgeld. Monsieur Riquelinque bedankt sich wie sich’s gehört bei dem Portier, steigt gelassen in das Taxi ein und macht es sich im Fond des Wagens bequem für die doch recht lange Fahrt zum Flughafen. »Bitte entschuldigen Sie, daß ich Sie so lange habe warten lassen! Die Verbindung nach Rom wurde mehrmals unterbrochen!«
    Jean-Baptiste Cartant wirft einen flüchtigen Blick in den Rückspiegel — ein höfliches Gesicht mit freundlichen, blauen Augen lächelt ihn an.
    Es ist genau 7 Uhr 30, als das Taxi startet. Schon fünf Minuten später biegt es in die Peripheriques ein, diese achtspurige Schnellstraße, die Paris umkreist. Schon nach zwanzig Minuten ordnet sich das Taxi rechts ein und fährt bei dem Autobahnkreuz Richtung Westen. Monsieur Riquelinque, der bis jetzt in seine Akten vertieft war, ruft auf einmal ganz erschrocken:
    »Wir fahren ja nach Westen!«
    »Ja, klar...«
    »Fahren Sie nach Orly?!«
    »Sicher, wohin denn sonst?«
    »Aber... aber ich muß gar nicht nach Orly! Ich muß nach Roissy!«
    »Was sagen Sie? Nach Roissy?«
    »Ja doch! Ich fliege mit der Alitalia, nicht mit der Air France. Ich muß also zum Charles de Gaulle.«
    » Verdammt! Ich kann nichts dafür, Monsieur... Der Hotelportier hat mir gesagt, Sie müssen zum Flughafen Orly! Aber machen Sie sich keine Sorten, das schaffen wir schon noch... Wann startet Ihre Maschine?«
    »Um... um 9 Uhr 30!«
    »Na ja! Da haben wir noch eine gute Stunde Zeit! Kein Problem!«
     
    Zuerst muß das Taxi allerdings bis »Orly« durchfahren und dann um den ganzen Flughafen herum bis zu der Ausfahrt, die wieder stadteinwärts führt. Aber leider ist in dieser Richtung der Morgenverkehr viel dichter als stadtauswärts! Der Taxifahrer hat schon seine Bedenken, trotzdem versucht er Monsieur Riquelinque zu beruhigen:
    »Nur noch ein paar Kilometer und wir fahren wieder aus der Stadt... und auf der Nordautobahn, da ist lange nicht so viel los wie hier! Ein Glück, daß Sie eine Stunde zu früh dran sind!«
    »Ja, wegen der Sommerzeit in Italien! Ich mußte vor meinem Abflug meinen Termin bei der Bank Ambrosiano bestätigen.«
    Der bis dahin wortkarge Geschäftsmann spricht nun darauf los, wahrscheinlich um seine Nervosität zu vergessen:
    »Wissen Sie, ich bin Spielzeugfabrikant in der Normandie. Und wir haben vor kurzem einen sagenhaften Auftrag bekommen, ein wahres Wunder! Das Problem dabei ist nur... ja, für die Herstellung dieses Spielzeugs brauchen wir ein bestimmtes Teil, das in Frankreich nicht produziert wird. In ganz Europa gibt es nur eine einzige Fabrik, die uns dieses Teil in großen Mengen liefern kann... und die ist in Rom! Heute Mittag wollen wir mit dem Generaldirektor der Vatikan-Bank den Vertrag wegen der Finanzierung des ganzen Unternehmens unterzeichnen...«
    »Wäre es denn so schlimm, wenn Sie einen Tag später...«
    »Undenkbar! Entweder heute oder nie! Der römische Fabrikant sagte es mir noch vor einer Stunde am Telefon!«
    »Keine Angst, Sie werden Ihren Auftrag heute Nachmittag schon kriegen!
    »Hoffentlich! Sonst bin ich ruiniert. Wir haben nämlich die ganze Produktion schon darauf umgestellt!«
    Der schwarze Citroën flitzt nun auf der linken Spur der Peripheriques stadteinwärts und kommt endlich zur Abzweigung der Nordautobahn —
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