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Den letzten Abschied selbst gestalten

Den letzten Abschied selbst gestalten

Titel: Den letzten Abschied selbst gestalten
Autoren: Magdalena Koester
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zum Friedhof.
    Auf diese Weise sahen auch alle Dorfbewohner, wer den Toten auf dem letzten Weg begleitete. Als meine Mutter zwölf Jahre später starb, fand alles nur noch auf dem Friedhof statt. Der Bestatter holte die Mutter gleich ab und bahrte sie im Kühlraum neben der neuen Friedhofskapelle auf. Wir bekamen einen Schlüssel und konnten zu ihr gehen. Da ist schon kein Nachbar mehr mitgekommen. Ich finde solche Räume ziemlich unangenehm. Dort ist es sehr kalt und es riecht ungewohnt süßlich. Außerdem ist oft auch die andere Kammer belegt, man hört andere weinen oder auch herumschimpfen, und manchmal sieht man auch die fremden Toten, wenn die Vorhänge nicht geschlossen sind.«
    Was man für die Toten noch tun kann
    Das letzte Hemd
    Naturstoffe sollten es sein, die den Toten angezogen werden, heißt es in den Friedhofsverordnungen und das gilt auch für Krematorien. Die Wäsche, die von der Bestattungsindustrie angeboten wird, besitzt inzwischen auch ein entsprechendes Gütesiegel. Aber das Material der Hemden darf immer noch 30 Prozent Synthetik enthalten, was für die natürliche Verwesung der Toten nicht gerade förderlich ist.
    Insgesamt herrscht bei heutigen Bestattungen ein liberaler Umgang mit der Kleidung. Sehr viele Menschen werden in ihren Lieblingsstücken verabschiedet, egal ob es sich dabei um eine Jogginghose, ein Kostüm oder einen Smoking handelt. Allerdings sollte man sich im Sinne des Umweltschutzes bei der Wahl wirklich für Naturmaterialien entscheiden. Es ist auch eine Überlegung wert, die alte Sitte der selbstgemachten Totenhemden wieder aufzugreifen – aus ästhetischen wie prakti-schen Gründen. Denn gerade bei der häufigen Kremierung ist eine zweite »Leichenschau« durch einen Arzt vorgeschrieben, für die – zumindest offiziell – der Verstorbene noch einmal komplett ausgezogen werden muss. Und wer das Anziehen eigener Kleidung allein den Bestattern überlässt, muss damit rechnen, dass sie den mitgebrachten Anzug oder Rock auf der hinteren Seite komplett aufschneiden, um den Toten die Teile leichter überstreifen zu können.
    Inzwischen gibt es auch spezielle Anbieter für gut gestaltete Leichenhemden. Die Designerin Afra Banach aus Dortmund beispielsweise hat ihre Diplomarbeit über die Geschichte der Leichenhemden geschrieben und widmet sich seitdem der Herstellung ebenso schlichter wie schöner Gewänder für die letzte Reise eines Menschen. Es sind lange, locker fallende Hemden in cremefarbenen Naturtönen aus Wollfilz, Leinen oder Seide. Alle sind langärmlig, mit Sternen oder Blüten bestickt oder mit Symbolen oder Gedichtfragmenten bedruckt. Nach Absprache sind auch individuelle Stickereien und Drucke in verschiede-nen Farben möglich. Afra Banach, Jahrgang 1969 denkt durchaus an ihre eigene Altersgruppe, wenn sie an ihrer Kollektion sitzt. »Ich möchte mit meiner Arbeit an den Brauch erinnern, sich sein Totenhemd zu Lebzeiten zuzulegen, um den Tod zu bedenken.«
    Einen ähnlichen Ansatz hat die Niederländerin Henny Willems, die einmal von einem Nachbarn um die Anfertigung seines Totenhemdes gebeten wurde. Danach schuf die Künstlerin eine ganze Kollektion von Totenkleidern, Sargwäsche und Aufbahrtüchern, die in ausgewählten Bestattungsgeschäften erhältlich ist. Vor allem ihr »letztes Hemd mit Taschen« bekam während der Bestattungsausstellung »Dernier Cri« in Kassel große Aufmerksamkeit. Es ist eine Tunika mit vielen farblich abgesetzten, eingearbeiteten Taschen, in die die Angehörigen kleine Briefe, Fotos oder Andenken stecken können. Auch die mit Rosen bestickten großen Tücher, die über oder unter den Sarg gelegt werden können, enthalten ähnliche Ideen zur Teilhabe der Trauernden. An die Stickrosen können kleine Zettel mit Abschiedsgrüßen gehängt werden. »Sie können auch kleine Schnitte in den Stoff machen und echte Blumen hineinstecken.« In einem Faltblatt mit dem Titel »Trauertextilien selbst machen« präsentiert die Niederländerin ihre mit großer Leidenschaft entwickelten Ideen. Sie beschreibt ausführlich, wie auch Laien ohne jede Näherfahrung ein Hemd oder Tuch für sich selbst oder ihre Lieben herstellen können und liefert dazu einfache Schnittmuster. Die Umsetzung sieht Henny Willems ganz pragmatisch: »Da diese Textilien nur einmal gebraucht werden, muss nicht unbedingt perfekt gearbeitet werden. Das Ausfransen des Stoffes lässt sich schon mit einer Zickzackschere verhindern, und die Seiten können einfach gereiht statt fest
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