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Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)

Titel: Delphi Saemtliche Werke von Karl May Band II (Illustrierte) (German Edition)
Autoren: Karl May
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Eingeständnis gebracht werden konnte, daß er meine Originalmanuskripte nicht besitze, kürzlich aber in Bonn in meiner Gegenwart vor dem beauftragten Richter als Zeuge zugeben mußte, daß er sie noch nie gesehen habe.
    Ob mich die Dame Münchmeyer mit Hilfe ihrer fünf weltlichen und geistlichen Genossen zur Strecke bringen wird, ist eine schon längst entschiedene Frage. Kein Kenner der Verhältnisse stellt sie mehr auf. – –
    Radebeul-Dresden, Oktober 1910.
Karl May.
     

IX. Schluß .
     
    Wie meine »Reiseerzählungen« nur Skizzen sind, so ist auch das vorliegende Werk nur Skizze. Es kann gar nichts anderes sein, weil das, was ich erzähle, noch nicht zu Ende ist und weil eine Menge mir auferzwungener Prozesse wie drohende Revolver auf mich gerichtet sind. Außerdem verhindern mich brutale Körperschmerzen, in der Weise zu schreiben, wie ich möchte. Zehn Jahre lang täglich viermal ganze Stöße von Briefen und Zeitungen erhalten, die von Gift und Hohn und Schadenfreude überfließen, das hält kein Simson und kein Herkules aus. Geist und Seele sind stark geblieben. Es hat sich in mir nicht das Geringste geändert. Mein Gottvertrauen und meine Menschenliebe sind nicht ins Wanken gekommen. Aber meinen Körper, den früher so unverwüstlich scheinenden, hat es endlich doch gepackt. Er will zusammenbrechen. Seit einem Jahre ist mir der natürliche Schlaf versagt. Will ich einmal einige Stunden ruhen, so muß ich zu künstlichen Mitteln, zu Schlafpulvern greifen, die nur betäuben, nicht aber unschädlich wirken. Auch essen kann ich nicht. Täglich nur einige Bissen, zu denen meine arme, gute Frau mich zwingt. Dafür aber Schmerzen, unaufhörliche, fürchterliche Nervenschmerzen, die des Nachts mich emporzerren und am Tage mir die Feder hundertmal aus der Hand reißen! Mir ist, als müsse ich ohne Unterlaß brüllen, um Hilfe schreien. Ich kann nicht liegen, nicht sitzen, nicht gehen und nicht stehen, und doch muß ich das alles. Ich möchte am liebsten sterben, sterben, sterben, und doch will ich das nicht und darf ich das nicht, weil meine Zeit noch nicht zu Ende ist. Ich muß meine Aufgabe lösen.
    Meine Aufgabe? Ja, meine Aufgabe! Die habe ich endlich, endlich erkannt. Sie ist genau dieselbe, wie ich dachte, und aber doch eine ganz, ganz andere. Ich sagte bereits: Das Karl May-Problem ist, wie das Problem jedes andern Sterblichen, ein Menschheitsproblem im Einzelnen. Aber während die meisten Menschen nur dazu berufen sind, in ihrem kleinen, engen Kreise gewisse Phasen des großen Problems darzustellen, gibt es noch Andere, denen die schwere Aufgabe wird, ein Abbild desselben zwar auch nur im Kleinen, aber doch nicht im Einzelnen, sondern im Ganzen zu liefern. Die Vielen stellen Menschheitsteile, diese Wenigen aber stellen Menschheitsbilder dar. Die Vielen können ihren engen Kreis sauber halten; sie sind Dutzendmenschen; sie können sogar als Mustermenschen erscheinen. Den Wenigen aber ist die Tugend und die Sünde, die Reinheit und der Schmutz der ganzen Menschheit in gleichem Verhältnisse wie dieser zugeteilt; sie können berühmte Feldherren oder rohe Mörder, große Diplomaten oder berüchtigte Schwindler, segensreiche Finanzgenies oder niedrige Taschendiebe, niemals aber Mustermenschen werden. Ihnen ist nicht das wohltuende Glück der unbewußten Mittelmäßigkeit beschieden. Ist das Leben mächtiger als sie, so werden sie zwischen Tugend und Laster, zwischen Höhe und Tiefe, zwischen Jubel und Verzweiflung hin- und hergezerrt, bis sie über den Wolken zerstäuben oder in den Schluchten zerschellen. Sind sie stärker als das Leben und sind sie im Glücke geboren, so werden sie in stolzer Ruhe ihre leuchtenden Bahnen ziehen; kamen sie aber unter den Augen der Niedrigkeit, der Armut und der Not zur Welt, so werden sie zwar ihr Ziel erreichen, weil sie es erreichen müssen, aber der Widerstand, den sie zu überwinden haben, wird ein grausamer, ein unerbittlicher sein, und ehe sie, da oben angekommen, ihren Siegesruf erschallen lassen können, werden sie ermattet zusammenbrechen, um die Augen für diese Welt zu schließen.
    Eigentlich sollte ein Jeder wissen, zu welcher von diesen Menschenarten er gehört, oder er sollte sich doch wenigstens verpflichtet fühlen, hierüber nachzudenken. Das habe ich getan, und ich bin zu der Ueberzeugung gekommen, daß ich kein billiges, ungestörtes Durchschnittsglück zu beanspruchen hatte, sondern das Menschheitselend in seinen tiefsten Tiefen kennen lernen mußte,
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