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Delhi Love Story

Delhi Love Story

Titel: Delhi Love Story
Autoren: Swati Kaushal
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Keds.
    Obwohl – dieser eine Augenblick gestern in seinem Zimmer …
    Ich war noch einmal davongekommen, oder? Einen Moment fühlte ich mich wie im freien Fall, doch dann konzentrierte ich mich auf Keds’ vertraute Eigenschaften, seine Wärme, seine Ungeschicktheit und darauf, dass wir einfach Keds und Ani waren. Das war viel unkomplizierter.
    Jemand geht an meiner Couch vorbei. Sein Spiegelbild im Fenster bringt mich in die Gegenwart zurück. Ich wende mich wieder dem Buch zu, schlage es irgendwo in der Mitte auf. Die Heldin Miranda macht sich für eine Party zurecht. Sie wird es Thor, diesem Idioten, so richtig heimzahlen, sie wird ihm zeigen, was ihm entgeht, und sie überlegt, ob sie einen Spitzenstring anziehen soll oder lieber gar keine Unterwäsche. Nicht dass Thor das je herausfinden würde. Ich blättere um. Jetzt zögert Miranda: Soll sie das mitternachtsblaue Kleid wählen, dessen tiefer Ausschnitt ihre Brüste betont, oder die elfenbeinfarbene Bluse mit den Perlmuttknöpfen, von
der Thor immer behauptet hatte, sie ihr vom Leib reißen zu wollen? Ich blättere weiter. Miranda probiert jetzt verschiedene Schuhe an. Ich klappe das Buch zu und frage mich, ob Jaime es mir vielleicht als ironische Geste geschenkt hat. Liebe und Mode. Sie hätte mir auch ein Messer geben können, damit ich mir den Hals aufschlitze. Ich bin eher für Jeans, T-Shirts und gute Sneakers zu begeistern.
    Ich blicke hinunter auf meine abgewetzten Sneakers und denke mit Schrecken daran, dass ich sie gestern beinahe losgeworden wäre. Ungeachtet aller Proteste hatte Tante Tara darauf bestanden, mit uns Einkaufen zu gehen. Wir sollten schließlich wie moderne indische Frauen aussehen. Sie hatte uns versichert, Najpat Lagar sei eine Ansammlung vieler glitzernder, neuer Einkaufszentren. »Glaubt bloß nicht, das wäre so kurzlebiges Zeug«, verkündete sie stolz. »Da sind Tausende Geschäfte mit Tausenden von Kleidern und keines gleicht dem anderen.«
    Keds versuchte, mich zu retten. »Bleib hier, lass uns Cricket spielen.«
    »Aber Annie braucht indische Kleidung«, widersprach Tante Tara.
    »Jeans sind doch indische Kleidung.«
    »Ja, aber sie hätte bestimmt zur Abwechslung gern einmal etwas Feminineres.«
    Ich zuckte zusammen und Keds grinste. »Bleib hier«, hatte er gesagt, »ich könnte dich nachher meinen Freunden vorstellen.«
    Ich erstarrte. Dann sagte ich ihm, ich ginge jetzt feminine indische Kleidung kaufen.

    Ich blicke durch das Fenster in die Dunkelheit und überlege, wie die Begegnung mit Keds’ Freunden wohl verlaufen wäre. Vielleicht ein bisschen wie damals, als Jess den Hund ihrer Tante mit zu uns nach Hause brachte. Sie musste sich um Duke kümmern, während ihre Tante im Krankenhaus lag, und fragte mich am Telefon, ob sie ihn mitbringen könne. »Er sieht so traurig aus«, meinte sie. Ein paar Augenblicke später stand eine entschlossen aussehende Jess mit einem traurig dreinblickenden Duke vor der Tür. »Er ist sehr gut erzogen«, sagte sie und tätschelte ihm den Rücken. »Stimmt’s, Duke?«
    Duke blickte stumm in die Ferne.
    »Komm, sei lieb und gib Annie die Pfote, Dukey.«
    Duke winselte, zog den Schwanz ein und kroch unter das Bett.
    Irgendwann würde ich Keds’ Freunde treffen müssen. Das gehört einfach dazu. Ein neuer Wohnort, neue Freunde, ein neues Leben. Ich würde Leute treffen und wieder ein normaler Mensch werden müssen. Jemand, den man mit normalen Begriffen beschreiben kann. Jemand, der lächelt, wenn er vorgestellt wird, der Hände schüttelt und sich mit einer gewissen Freundlichkeit unter seinen Mitmenschen bewegt. Wenigstens sollte ich mich nicht unter irgendwelchen Betten verkriechen.
    Das würde nicht leicht werden.
    Mit dem Blick folge ich den Bewegungen einer Servicekraft. Sie spiegeln sich im Fenster. Der Mann leert Vasen und wischt Tische bei der Sitzgruppe neben meiner. Hinter ihm schlendert ein weiterer junger Mann mit
einem Rollwagen voller Blumen heran. Ich erkenne Gladiolen, Lilien, Gänseblümchen, Farne, Rosen, exotische Blätter und viele andere Gewächse. Ich lehne mich zurück, sehe ihm zu, wie er die Vasen mit frischem Grün füllt, und atme dankbar den herüberströmenden Duft ein.
    »Ma’am?«
    Ich schrecke auf. Hinter mir steht jemand mit einem Tablett, darauf eine Tasse dampfend heiße Schokolade, ein Stück Kuchen, eine einzelne rosa Blüte und eine Tageszeitung. Ich nehme die Füße vom Tisch und sage, hier müsse ein Fehler vorliegen. »Ich habe nichts bestellt.
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