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Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
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Emilia.
    »Ich weiß es«, sagte Eisenberg. »Und ich verspreche euch, ich werde den Mörder kriegen.«
    Du solltest nie etwas versprechen, von dem du nicht sicher bist, ob du es halten kannst, mein Sohn.
    Michael nickte.
    »Das wirst du, Papa. Wenn jemand ihn fassen kann, dann du!«
    Diesmal war es nicht der Schmerz über den Tod seines Vaters, der Eisenberg die Tränen in die Augen trieb.
    Es war erstaunlich, wie Beerdigungen die Lebenden näher zusammenführten. Eisenberg verbrachte an diesem Wochenende mehr Zeit mit seinen Kindern als in den fünf Jahren zuvor. Sie gingen an der Außenalster spazieren, genau dort, wo er seinen Vater immer entlanggeschoben hatte, und redeten über die Vergangenheit und die Zukunft. Nur das Thema des Mordes an ihrem Vater und Großvater vermieden sie. Eisenberg erzählte ihnen von seiner neuen Aufgabe und den erstaunlichen Fähigkeiten seiner Mitarbeiter und merkte dabei, dass er sich darauf freute, nach Berlin zurückzukehren.
    Nachdem Eisenberg am Sonntag Emilia und ihren Freund zum Flughafen chauffiert und Michael, der ungern flog, am Bahnhof abgesetzt hatte, war er endlich wieder zurück. In seinem Pensionszimmer wartete etwa ein Dutzend Kondolenzbriefe auf ihn. Doch er hatte keine Lust, sie zu öffnen, und ging müde ins Bett.
    In der Nacht schreckte er aus dem Schlaf mit dem Gefühl, als stünde jemand neben ihm. Er tastete nach dem Schalter der Leselampe, doch als das Licht anging, war der Raum leer.
    Er knipste es wieder aus und wälzte sich eine Weile hin und her, bis er es aufgab. Er ging zum Schreibtisch und sah die Kondolenzbriefe durch. Die meisten stammten von Kollegen aus dem LKA. Nur bei einem Brief fehlte der Absender. Er öffnete ihn behutsam. Eine geschmacklose Trauerpostkarte kam zum Vorschein, mit einem schwarzen Kranz um ein Kreuz und den Worten:
    Wenn wir aus dieser Welt
    durch Sterben uns begeben,
    so lassen wir den Ort,
    wir lassen nicht das Leben.
    (Nikolaus Lenau)
    Auf der Rückseite stand mit sauberer Handschrift:
    Dienstag 20 Uhr am Grab. Kommen Sie allein!
    Darunter eine Internetadresse.
    Er sah auf die Uhr. Viertel nach drei. Es hatte wenig Sinn, Varnholt und Wissmann aus dem Bett zu klingeln. Er fuhr den Laptop hoch und gab die Adresse ein. Die Seite eines Onlinedienstes öffnete sich, bei dem man große Dateien hinterlegen und mit anderen teilen konnte, ohne sie als E-Mail-Anhänge verschicken zu müssen. Mit der URL war ein Video verknüpft, das Eisenberg direkt im Browser ansehen konnte.
    Er klickte auf Start.
    Die Kamera wackelte etwas. Sie zeigte seinen Vater im Rollstuhl in seinem Arbeitszimmer. Er hatte eine transparente Plastiktüte über dem Kopf, die am Hals mit Klebeband fixiert war. Eisenberg konnte die geweiteten Augen erkennen. Die Tüte blähte sich rhythmisch und zog sich wieder zusammen, als der alte Mann vergeblich versuchte, nach Luft zu schnappen. Irgendwann hörte er auf und sein Kopf sackte nach vorn. Das Video endete.
    Eisenberg saß lange da, die Hände zu Fäusten geballt.

66.
    Du spürst ihre Blicke. Du kannst sie nicht sehen, aber weißt, sie sind da. Es ist, als kitzele ihr Atem dein Ohr. Der Friedhof ist still und leer. Langsam gehst du zwischen den Gräberreihen entlang. Die Namen darauf sind Schall und Rauch. Es gibt sie nicht, die segelnden Krähen, und auch die alte gebeugte Frau am Grab hat keine Ahnung, dass sie nicht existiert. Das Experiment würde nicht funktionieren, wenn alle die Wahrheit wüssten. Das Ende ist so nah – das Ende dieser verdammten Welt. Deine letzten Zweifel sind verschwunden, seit sie dir das wahre Ziel ihres Experiments verraten haben. Du bist die Hauptperson, der Held der Geschichte. Du spürst ihre Blicke. Sie wollen, dass es niemals endet. Doch du wirst ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Es ist arrangiert. Du wirst dich dem Willen der Allmächtigen nicht beugen.
    Diesmal nicht.

67.
    Die Blumen auf dem Grab waren bereits welk. Eisenberg sah auf die Uhr. Viertel nach acht. Bis neun würde er noch warten, auch wenn es mit jeder Minute unwahrscheinlicher wurde, dass Körner noch kam.
    Eine schwarz gekleidete Frau schlurfte langsam über den ansonsten leeren Weg auf ihn zu. Sie trug einen Trauerschleier und hatte eine rote Rose in der Hand, die sie auf ein Grab in der Nähe legte. Eine Weile stand sie stumm dort, während Eisenberg die Umgebung absuchte.
    »Hat Ihnen das Video gefallen?«, fragte sie unvermittelt.
    Eisenberg erstarrte. Körner drehte sich um und hob den Schleier.
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