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Delete: Thriller (German Edition)

Delete: Thriller (German Edition)

Titel: Delete: Thriller (German Edition)
Autoren: Karl Olsberg , Karl-Ludwig von Wendt
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nicht existiert.
    Du siehst auf die Uhr. Zeit zu gehen.

65.
    Das Grab befand sich auf dem Ohlsdorfer Friedhof im Schatten einer alten Kastanie, umgeben von blühenden Rhododendren. Der Regen hatte aufgehört, doch von den Bäumen tropfte es noch immer mit leisem Prasseln. Es roch nach feuchter Erde.
    Eisenberg starrte in die rechteckige Grube. Eine Träne löste sich von seiner Wange und fiel herab. Wie ein Tropfen Wasser, der in einen Ozean fällt.
    »Danke, Vater!«, murmelte er.
    Mit einer kleinen Schaufel nahm er etwas Erde auf und warf sie auf den regennassen Sarg. Dann wandte er sich ab, um der langen Reihe der Trauergäste Platz zu machen, die gekommen waren, um sich von dem alten Richter zu verabschieden. Er stellte sich seitwärts und nahm stumm ihr Beileid entgegen.
    Als Erste umarmte ihn Emilia. Es fühlte sich ein wenig fremd an nach so langer Zeit. Sie war jetzt eine richtige Frau, die die strahlenden Augen seiner Exfrau Iris und Eisenbergs markantes Kinn geerbt hatte. Zu seiner Erleichterung hatte sie kein Lippenpiercing. Ihre Augen waren gerötet, doch sie wirkte gefasst. Ihr folgte ein junger, gut aussehender Mann, den sie ihrem Vater vorhin als Thomas, ihren Freund, vorgestellt hatte.
    Dann kam Michael, der ihn gestern, bei ihrem unverhofften Wiedersehen, mit einem Vollbart erschreckt hatte. Er hatte ein breites Kreuz bekommen und seinem auch nicht zart gebauten Vater in der Umarmung die Luft abgedrückt. Jetzt war seine Berührung dagegen zart, als habe er Angst, Eisenberg könne zerbröseln, wenn er ihn zu hart anfasste.
    Iris trug immer noch dasselbe Parfüm. Und sie war schön. Noch immer.
    »Es tut mir so leid für dich«, sagte sie.
    Sicher war das nur gut gemeint, aber es verletzte ihn doch. Bedeutete es ihr denn gar nichts, dass ihr früherer Schwiegervater gestorben war?
    Die Prozession der Kondolierenden nahm kein Ende. Eisenberg kannte die meisten nicht. Sicher viele ehemalige Kollegen seines Vaters, darunter auch ein pensionierter Staatsrat der Behörde für Inneres, dem Eisenberg einmal im Polizeidienst begegnet war. Einige entfernte Verwandte waren gekommen, außerdem Udo Pape.
    »Es tut mir leid, Adam«, sagte er noch einmal. In seinen Augen lag aufrichtiges Mitgefühl.
    Eisenberg nickte nur.
    Eine Woche war seit dem Anruf von Nina Schmidt vergangen. Die Spurensicherung hatte keine Fingerabdrücke auf dem Buch gefunden und auch sonst nichts, das auf die Anwesenheit Körners in der Wohnung seines Vaters hindeutete. Die Obduktion hatte nur bestätigt, was der Notarzt als Todesursache angegeben hatte: Herzversagen. Ob dieses durch Erstickung herbeigeführt worden war, ließ sich nicht mehr feststellen. Faserspuren waren nach der Leichenwaschung auch nicht mehr nachweisbar gewesen. Mit anderen Worten: Niemand außer ihm selbst und vielleicht seinen Mitarbeitern glaubte wirklich, dass Eisenbergs Vater ermordet worden war.
    Es machte allerdings auch keinen großen Unterschied. Julius Körner hatte genug Menschen umgebracht, um den gesamten Polizeiapparat in Atem zu halten. Doch sie hatten immer noch keine konkrete Spur des Flüchtigen, trotz öffentlicher Fahndungsaufrufe. Hunderte Hinweise aus dem ganzen Bundesgebiet hatten sich allesamt als Sackgassen herausgestellt. Mit jedem Tag, der verging, wurde es unwahrscheinlicher, dass Körner ihnen doch noch ins Netz ging. Er war einfach zu clever und abgebrüht, um einen der typischen Fehler zu machen, die Straftäter auf der Flucht begingen.
    »Mein herzliches Beileid«, sagte eine Frau, die sich auf einen Gehstock stützte. Sie musste über achtzig sein, doch ihr Gesicht verriet, dass sie einmal sehr schön gewesen war. Ihre Augen waren gerötet. Sein Vater musste ihr etwas bedeutet haben. Ein seltsames Gefühl, nicht zu wissen, wer sie war. Er sah ihr nach, als sie mit trotz ihres Gehstocks geradem Rücken davonging.
    Als er sich dem nächsten Kondolierenden zuwenden wollte, fiel ihm ein junger Mann auf, der etwas abseits der Trauergemeinde stand. Er hatte strohblondes Haar, trug Jeans und eine dunkle Stoffjacke. Trotz des Dauerregens hatte er eine Sonnenbrille aufgesetzt.
    Eisenberg erstarrte.
    »Herzliches Beileid«, sagte ein Herr in Eisenbergs Alter. »Ihr Vater war eine Zeit lang mein Vorgesetzter am …«
    »Entschuldigen Sie«, unterbrach ihn Eisenberg. Er ließ den verdutzten Mann stehen und bahnte sich einen Weg durch die wartenden Trauergäste, die ihm verwundert nachsahen.
    Jetzt drehte der junge Mann den Kopf in Eisenbergs
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