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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht
Autoren: Tami Hoag
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noch einmal auf, sagte ihr, sie könnte immer noch entkommen. Heute abend hatte sie keinen Dienst, hatte keinen Patienten in diesem Hundert-Betten-Etablissement, um den sie sich dringend persönlich kümmern müßte. Sie könnte die Arbeit dem diensthabenden Arzt, Craig Lomax, überlassen. Der glaubte ohnehin, er hätte das Licht dieser Welt erblickt, um bloßen Sterblichen zu Hilfe zu eilen und sie mit seinem Staraussehen zu trösten. Hannah war heute abend nicht mal für Notfälle zuständig. Aber direkt diesen Gedanken auf den Fersen folgten die Schuldgefühle, sie hatte einen Diensteid geleistet. Es spielte keine Rolle, daß sie heute schon mehr als genug entzündete Hälse und zerschundene Körper gesehen hatte. Sie hatte die Pflicht – jetzt eine noch größere, seit die Krankenhausverwaltung sie zur Chefin der Notaufnahme ernannt hatte. Die Menschen von Deer Lake verließen sich auf sie.
    Wieder ertönte der Ruf nach ihr. Hannah seufzte und spürte, wie sich Tränen hinter ihren Lidern sammelten. Sie war erschöpft – körperlich und geistig. Sie brauchte diesen freien Abend, einen Abend für sich alleine mit den Kindern, ohne Paul, der Überstunden machte und dabei seine Launen und seinen Sarkasmus im Büro ablud und nicht bei seiner Familie.
    Eine honigblonde Strähne löste sich aus ihrem lockeren Pferdeschwanz und fiel schlaff über ihre Wange. Sie steckte sie seufzend hinters Ohr und sah hinaus auf den Parkplatz, der im Schein der Halogenlampen bräunlich aussah.
    »Dr. Garrison in die Notaufnahme! Dr. Garrison in die Notaufnahme!«
    Sie streifte ihren Mantel ab und faltete ihn über dem Arm. »O mein Gott, da sind Sie ja!« rief Kathleen Casey, als sie um die Ecke geschlittert kam und mit wehendem weißem Kittel den Gang hinunterrannte. Die dicken gepolsterten Sohlen ihrer Turnschuhe machten fast kein Geräusch auf dem polierten Boden. Die Schwester, knapp 150 groß, hatte das Gesicht eines Trolls, einen Mop dicker roter Haare und die Zähigkeit eines Pitbull-Terriers. Ihre Uniform bestand aus einem grünen Operationsanzug und einem Hier-wird-nicht-gejammert-Button. Sie lächelte mit der Kraft eines Traktorstrahls.
    Hannah zwang sich, den Mund zu verziehen. »Tut mir leid. Gott mag ja vielleicht eine Frau sein, aber diese Frau ist er auf jeden Fall nicht.« Kathleen schnaubte verächtlich und packte Hannahs Oberarm. »Sie schaffen es schon.«

    »Wird Craig nicht damit fertig?«
    »Vielleicht. Aber wir hätten lieber eine höhere Lebensform mit mehreren Daumen.«
    »Heute abend bin ich aber nicht auf der Telefonliste. Ich muß Josh vom Eishockey abholen. Rufen Sie Dr. Baskir …«
    »Hab ich schon. Er ist mit unserem gemeinsamen Freund im Bett: Jurrasic-Park-Grippe, auch bekannt unter dem Namen Tracheasaurus Phlegmus. Ein Monstervirus. Das halbe Personal liegt damit auf der Nase, was heißt, ich, Kathleen Casey, Königin der Notaufnahme, darf Sie gegen Ihren Willen zum Dienst schanghaien. Es wird nicht lange dauern, versprochen.«
    »O ja, das kenn ich«, murmelte Hannah.
    Kathleen ignorierte das und wandte sich zum Gehen, anscheinend war sie fest entschlossen, falls nötig Hannah an den Haaren zur Notaufnahme zu schleifen. Hannah begann zu laufen, als in der Ferne die Sirene eines Krankenwagens ertönte.
    »Was kriegen wir denn da?«
    »Autounfall. Ein junger Mann ist auf der Old Cedar Road auf eine Eisplatte geraten und gegen ein Auto voller Omas geknallt.«
    Die beiden wurden mit jedem Schritt schneller, Hannahs Lederstiefel hämmerten einen schnellen Stakkato-Rhythmus. Ihre Müdigkeit und die dazugehörigen Gefühle verschwanden hinter ihrem Berufsethos und ›Doktormodus‹, wie Paul das nannte. Energieschalter sprangen in ihrem Inneren an, erfüllten ihren Kopf mit Licht, und Adrenalin schoß durch ihre Adern.
    »Wie ist der Zustand?« fragte Hannah, ihre Stimme war jetzt härter, schärfer.
    »Zwei Kritische haben sie ins Hennepin County Medical Center geflogen. Wir kriegen die Überbleibsel. Zwei Omas mit Beulen und Blutergüssen und den Studenten. Klingt, als wär er ziemlich zugerichtet.«
    »Kein Sicherheitsgurt?«
    »Warum sich die Mühe machen, wenn man noch nicht lange genug am Leben ist, um den Begriff Sterblichkeit zu kapieren?« blaffte Kathleen, als sie in dem Bereich angekommen waren, der als Schwesternstation und Aufnahme diente.
    Hannah beugte sich über die Theke: »Carol? Könnten Sie bitte in der Eishalle anrufen und eine Nachricht für Josh hinterlassen, daß ich mich ein
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