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Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Deer Lake 01 - Sünden der Nacht

Titel: Deer Lake 01 - Sünden der Nacht
Autoren: Tami Hoag
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vierzig zu zwanzig, wird schneller schwächer.«
    »Eine Infusion legen, hängt Bretylium und Dopamine dran, und gebt ihr eine Spritze mit Epinephrine.«
    »Verflucht, ich finde keine Vene! Komm schon, Baby, komm, komm zu Mama Kathleen.«
    »Allen, Lungengeräusche überprüfen. Künstliche Beatmung stoppen, Angie … Kommt das Beatmungsteam?«
    »Wayne ist auf dem Weg …«
    »Erwischt!« Kathleen drückte den Schlauch in die Kanüle und sicherte sie mit Pflaster, ihre kleinen Hände arbeiteten geschickt und erfahren. Ein Pfleger reichte ihr das Epinephrin, und sie injizierte es in den Schlauch.
    »Fine v-fib, Dr. Garrison.«
    »Wir müssen defibrillieren. Chris, künstliche Beatmung weiter, bis ich Bescheid sage. Allen, lade auf 320.« Hannah packte die Elektroden und rieb sie aneinander, um das Gel zu verteilen.
    »Beiseite treten!« Elektroden in Position auf die nackte Brust der Frau. »Alles bereit!« Einschalten. Der Körper der alten Frau bäumte sich auf der Bahre auf.
    »Nichts! Kein Puls!«
    »Los!« Sie schlug wieder auf die Schalter. Ihr Blick flog zum Monitor, eine gerade grüne Linie teilte den Monitor. »Noch einmal! Los!«
    Der Körper der Frau fuhr nochmals hoch. Die gerade Linie schlug aus wie eine Peitsche, und der Monitor begann zu piepsen. Ein kurzes Hurra erfüllte den Raum.
     
    Sie arbeiteten vierzig Minuten, um Ida Bergen den Klauen des Todes zu entreißen, und verloren sie zehn Minuten später wieder. Das Wunder gelang ihnen ein zweites Mal, aber beim dritten Mal nicht mehr. Hannah teilte es Idas Mann mit. An Ed Bergens Kleidung haftete der warme, süße Duft von Kühen und frischer Milch mit einem beißenden Unterton von Mist. Er hatte dasselbe stoische Gesicht, das sie von vielen Farmern nordischer Abstammung kannte, aber seine Augen glänzten und waren feucht vor Sorge – und flossen vor Tränen über, als sie ihm sagte, sie hätten ihr Bestes getan, aber seine Frau nicht retten können.
    Sie setzte sich zu ihm und half ihm durch einige der grausamen Todesformalitäten. Selbst in dieser Zeit des Kummers mußten Entscheidungen getroffen werden, und so weiter und so fort. Sie absolvierte
diese Routine mit leiser, monotoner Stimme, kam sich vor wie ferngesteuert, gefühllos vor Erschöpfung, vor Niedergeschlagenheit. Als Ärztin hatte sie dem Tod wieder und wieder ein Schnippchen geschlagen, aber der Sensenmann ließ sie nicht jedesmal gewinnen, und sie hatte niemals gelernt, eine gute Verliererin zu sein. Das Adrenalin, das ihr während der Krise Treibstoff geliefert hatte, hatte sich verflüchtigt. Ein Zusammenbruch stand unmittelbar bevor. Wieder ein vertrauter Teil der Routine, den sie haßte.
    Nachdem Mr. Bergen gegangen war, schleppte sich Hannah in ihr Büro, setzte sich im Dunkeln an ihren Schreibtisch und stützte den Kopf in die Hände. Diesmal tat es schlimmer weh. Vielleicht weil sie das erste Mal in ihrem Leben das Gefühl hatte, einem Verlust gefährlich nahe zu sein. Sie hatte Probleme mit ihrer Ehe. Ed Bergens Ehe war vorbei. Achtundvierzig Jahre Partnerschaft ausgelöscht, in den wenigen Sekunden, die ein Wagen brauchte, um auf einer vereisten Straße ins Schleudern zu kommen. Waren es gute Jahre gewesen? Liebevolle Jahre? Würde er seine Frau betrauern oder einfach weitermachen?
    Sie dachte an Paul, seine Unzufriedenheit, seine stille Feindseligkeit. Zehn Jahre Ehe drifteten auseinander wie mürbe Seide, und sie fühlte sich nicht imstande, die Entfremdung zu stoppen. Nie hatte sie etwas verloren, nie die Fähigkeit entwickelt, gegen Verlust anzukämpfen. Sie fühlte, wie die Tränen aufstiegen – Tränen um Ida und Ed Bergen und um sich selbst. Tränen des Kummers, der Verwirrung und Erschöpfung, die eigentlich nicht heruntertropfen dürften. Sie mußte stark sein, mußte eine Lösung finden, alle Unebenheiten glätten, alle glücklich machen. Aber heute abend drückte die Last zu schwer auf ihre schmalen Schultern. Und immer wieder kam ihr der Gedanke, daß das Licht am Ende des Tunnels doch nur der Scheinwerfer eines nahenden Zuges war.
    Es klopfte an der Tür, und Kathleen steckte den Kopf herein. »Sie wissen, daß sie seit Jahren bei einem Herzspezialisten im Abbott-Northwestern in Behandlung war?« sagte sie leise.
    Hannah schniefte und knipste ihre Schreibtischlampe an. »Wie geht’s Craigs Patienten?«
    Kathleen setzte sich in den Besucherstuhl, legte einen Turnschuh übers Knie und rieb gedankenverloren an einem Tintenfleck auf ihrer Chirurgenhose. »Wird
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