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Deathbook (German Edition)

Deathbook (German Edition)

Titel: Deathbook (German Edition)
Autoren: Andreas Winkelmann
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immer so.
    «Ich bin da», rief sie in den dunklen Hausflur.
    Es roch schwach nach gebratenen Frikadellen. Mama hatte angekündigt, sie mittags zubereiten zu wollen. Ann-Christins Magen zog sich schmerzhaft zusammen, und ihr wurde bewusst, wie wenig sie heute gegessen hatte.
    «Mama?»
    Keine Antwort.
    Ann-Christin drückte die Haustür zu und hängte ihr mit Nippes überladenes Schlüsselbund an den Haken. Dann ließ sie ihre schwere Tasche zu Boden fallen und machte Licht.
    Sofort sah sie den Hausschuh auf der Treppe in den Keller. Ein einzelner blauer Filzpantoffel auf der vierten Stufe von oben. Ann-Christin hatte Mama diese Hausschuhe vor vielleicht sechs oder sieben Jahren zu Weihnachten geschenkt. Damals hatte Papa noch bei ihnen gewohnt. Und auch wenn es schon schlimm gewesen war, hatte es zwischendurch immer Normalität gegeben, Phasen, in denen sie eine glückliche Familie waren. Alle hatten das mit gelbem Garn gestickte Smiley-Gesicht vorn auf den Schuhen witzig gefunden. Mama hatte seitdem nie andere Schuhe im Haus getragen, entsprechend abgewetzt und speckig waren sie heute. Und dieser eine Pantoffel auf der Treppe schien Ann-Christin hämisch anzustarren. Was früher lustig gewesen war, machte ihr jetzt Angst. An keinem Tag in ihrem Leben hatte je ein einzelner Hausschuh auf der Treppe gestanden. Nie!
    «Mama, wo bist du?», rief sie.
    Keine Antwort.
    Sie schaltete das Licht ein. Es beleuchtete nur den geraden Teil der mit braunen Kacheln gefliesten Kellertreppe. Die Treppe beschrieb im unteren Drittel eine Kurve, und alles, was sich dahinter befand, lag im Dunkeln.
    Ann-Christin setzte einen Fuß auf die erste Stufe. Gleichzeitig schrie in ihrem Inneren eine Stimme: «Hau ab, bring dich in Sicherheit!» Sie zögerte einen Moment und dachte daran, zu den Böses hinüberzulaufen, ihren Nachbarn. Aber wie peinlich wäre es, wenn Mama nur früh zu Bett gegangen oder auf der Couch eingeschlafen wäre! Für den verfluchten Hausschuh gab es sicher eine ganz einfache Erklärung.
    Also nahm sie all ihren Mut zusammen und stieg über den einzelnen Hausschuh in den Keller hinab. Für einen kurzen Moment glaubte sie, die aufgestickten Augen würden ihr folgen, aber das lag sicher nur an ihren überreizten Nerven.
    Auf der sechsten Stufe erstarrte Ann-Christin.
    Von unten herauf starrte sie das Smiley-Gesicht des zweiten Hausschuhs an. Er steckte noch auf dem Fuß ihrer Mutter.
    Sie lag verdreht und leblos am Ende der Treppe.
     
     
    I ch ließ mich auf den Drehstuhl nieder, der vor dem kleinen Schreibtisch aus Kiefernholz in Kathis Zimmer stand. Ich hatte bewusst die Deckenlampe nicht eingeschaltet, beugte mich nun vor und betätigte den Schalter der schwenkbaren Arbeitsleuchte. Kaltes blaues LED -Licht flutete über den unaufgeräumten Schreibtisch.
    Am Schirm der Lampe klebte ein Post-it mit einem einzigen Satz darauf. Als ich ihn las, lief mir ein kalter Schauer den Rücken hinab.
    Das digitale Virus ist die Pest der Neuzeit.
    Ich nahm den Zettel ab. Das war eindeutig Kathis Handschrift. Virus, Pest, Ratten, Tod … was war nur in ihrem Kopf vorgegangen? Ich wurde einfach nicht schlau daraus.
    Ich betrachtete den Schreibtisch. An den Rändern stapelte sich ein Wust aus Kleinkram. Schmuck, Schminkutensilien, gerahmte Fotografien, Figuren aus Überraschungseiern. Dazwischen eines meiner älteren Bücher: «Blinder Instinkt». Es sah aus, wie ein Taschenbuch aussehen sollte: abgegriffen und schmuddelig. Sie hatte mir gesagt, dass sie die Geschichte um das blinde Mädchen besonders mochte. Ich nahm es in die Hand, blätterte durch die Seiten und legte es wieder weg. Keine Zeit für Sentimentalitäten jetzt. Ich war hier, um zu recherchieren.
    Der Laptop stand vor mir. Ich hatte ihn ihr zur Konfirmation geschenkt. Ich hatte in meinen Büchern oft genug beschrieben, wie sich Ermittler, auch Privatdetektive, notwendige Informationen beschafften. So gut wie jeder Polizist wusste ich, dass ein Computer eine Fundgrube sein konnte, wenn die Person eher sorglos damit umgegangen war. Und ich war in Computerdingen fit genug, um einiges herauszufinden. Für alles andere hatte ich Jan Krutisch, einen Programmierer, auf den ich bereits bei einigen Recherchen zurückgegriffen hatte.
    Für das Zugangspasswort brauchte ich ihn aber nicht. Ich kannte es.
    Kathi hatte es mir nicht selbst verraten, aber sie hatte diesen Laptop an ihrem Praktikumstag bei mir dabeigehabt. Als sie ihn gestartet hatte, hatte ich beim Eingeben des
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