Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Deadlock

Deadlock

Titel: Deadlock
Autoren: Sara Paretsky
Vom Netzwerk:
war. »Ich habe Champs Papiere durchgesehen und bin am Boden zerstört. Hast du schon gegessen?«
    Sie hatte bereits vor mehreren Stunden zu Abend gegessen, verabredete sich jedoch mit mir auf einen Kaffee im Chesterton Hotel, wo ich eine Kleinigkeit zu mir nehmen konnte.
    Bevor ich das Gebäude verließ, wollte ich noch mit Hinckley sprechen. Er hatte jedoch schon lange Feierabend. Ein müder alter Farbiger versah den Nachtdienst. Wie ein Wachmann saß er hinter einem Pult und beobachtete über Dutzende von Bildschirmen die Straße, die Garage und jedes der dreißig Stockwerke. Er blickte mich ausdruckslos an, als ich ihm auseinander setzte, wer ich war. Ich hielt ihm die von Simonds ausgestellte Vollmacht unter die Nase und erklärte, dass ich hier so lange aus und ein gehen würde, bis der Nachlass meines Vetters geordnet und die Wohnung verkauft war. Er zeigte sich völlig unbeeindruckt. Regungslos starrte er mich aus seinen braunen Augen mit den altersgelben Augäpfeln an. Ich musste mich bemühen, nicht die Beherrschung zu verlieren. »Der Dienst habende Pförtner hat heute Nachmittag jemanden in die Wohnung gelassen. Würden Sie bitte dafür sorgen, dass niemand mehr Zutritt bekommt, wenn ich nicht dabei bin?«
    Er starrte mich immer noch an. Ich spürte, wie mir der Ärger die Röte ins Gesicht trieb. Brüsk wandte ich mich um und ließ ihn vor seinen Bildschirmen sitzen.

3
    Gedankenspiele
    »Wonach hast du denn gesucht?«, fragte Lotty, während sie ihren Kaffee schlürfte. Ihre wachen schwarzen Augen sahen mich prüfend, aber liebevoll an. Ich aß einen Bissen von meinem Sandwich - hausgebackenes Roggenbrot mit Emmentaler. »Ich weiß selbst nicht. Vermutlich bin ich schon zu lange in meinem Beruf. Ständig erwarte ich, verborgene Geheimnisse in den Schreibtischen anderer Leute zu finden.«
    Wir saßen im Dortmunder Restaurant im Souterrain des Chesterton Hotels. Aus den Weinregalen entlang der Wände hatte ich eine halbe Flasche Pomerol ausgewählt. Die Bedienung kennt dort keine Eile; man ist auf alte Damen eingestellt, die im Hotel wohnen und sich nachmittags die Zeit bei Kaffee und Kuchen vertreiben.
    »Meine Liebe, ich will dich beileibe nicht drängen, wenn du nicht darüber reden möchtest. Aber du ordnest doch niemals Papiere. Selbst die deines Vetters würdest du dem Anwalt überlassen, wenn du nicht gehofft hättest, etwas zu finden. Demnach geht es um etwas Wichtiges, stimmt's?« Lotty ist Österreicherin, hat aber ihre Jugend in London verbracht, und noch heute ist ihrem präzisen Englisch ein leichter Wiener Akzent anzuhören. Wir sind seit langem befreundet.
    Ich aß den letzten Bissen meines Sandwichs und trank einen Schluck Wein; dann hielt ich das Glas gegen das Licht und starrte gedankenverloren in das leuchtende Rot.
    »Champ hinterließ eine dringende Nachricht bei meinem Auftragsdienst. Ich weiß nicht, ob er nur fürchterlich deprimiert war oder bei der Eudora Schwierigkeiten hatte. Jedenfalls war das gar nicht seine Art.« Ich starrte in mein Weinglas. »Lotty, ich habe nach einem Brief gesucht, in dem gestanden hätte: >Liebe Vic, man hat mich beschuldigt, irgendwelche Papiere entwendet zu haben. Zu meinem kaputten Knöchel hat mir das gerade noch gefehlt. Das alles macht mich so fertig, dass ich nicht mehr weiterweiß.< Oder: >Liebe Vic, ich bin in Paige Carrington verliebt. Das Leben ist wundervoll !< Paige behauptet das jedenfalls, und vielleicht stimmt's auch. Aber sie ist so - so ... ich weiß nicht irgendwie künstlich. Oder mindestens perfekt. Die Vorstellung, dass er in sie verliebt gewesen sein könnte, fällt mir äußerst schwer. Er fühlte sich eher zu natürlichen Frauen hingezogen.«
    Lotty setzte ihre Tasse ab und legte ihre breite, kraftvolle Hand über meine. »Du bist doch nicht etwa eifersüchtig?«
    »Doch, ein wenig. Allerdings nicht so, dass es mein Urteilsvermögen beeinträchtigen könnte. Vielleicht bin ich auch nur egozentrisch. Zwei Monate lang habe ich ihn nicht angerufen. Das geht mir nicht aus dem Kopf. Wir hatten zwar oft monatelang keinen Kontakt, doch ich werde das Gefühl nicht los, dass ich ihn im Stich gelassen habe.«
    Der Druck auf meine Finger wurde stärker. »Champ wusste, dass er auf dich zählen konnte, Vic. Du weißt doch selbst, dass es so war. Er rief bei dir an. Und er wusste, dass du dich bei ihm melden würdest, selbst wenn er einige Tage warten musste.«
    Ich entzog ihr meine Hand und fasste nach meinem Weinglas. Nachdem ich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher