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Daughter of Smoke and Bone

Daughter of Smoke and Bone

Titel: Daughter of Smoke and Bone
Autoren: Laini Taylor
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sehen.«
    »Ich weiß.« Sie küsste ihn zärtlich und erinnerte sich an seinen furchtbaren Schrei. »Ich erinnere mich an alles.«
    ***
    Und er auch.
    Der vermummte Henker. Der Wolf und der Kriegsherr, die von ihrem Balkon aus zuschauten, die Menge, ihr stampfender Tumult, ihr Gebrüll, ihr Blutdurst: Alles Monster, die den Traum vom Frieden verhöhnten, den Akiva seit Bullfinch hegte. Weil eine von ihnen seine Seele berührt hatte, hatte er sie alle dieses Traums für würdig gehalten.
    Doch da stand sie, in Ketten – die Eine, die
Seine
 –, die Flügel grausam zusammengeknickt und gebunden, und sein Traum war dahin. So etwas taten die Chimären ihren eigenen Leuten an. Seiner wunderschönen, noch immer so anmutigen Madrigal.
    In hilflosem Entsetzen beobachtete er, wie sie auf die Knie sank. Ihren Kopf auf den Block legte.
Das ist nicht möglich
, schrie Akivas Herz. Das konnte nicht wahr sein. Der Wille, das Geheimnis, das auf ihrer Seite gewesen war … wo waren sie jetzt? Madrigals Hals, schutzlos ausgestreckt, ihre weiche Wange auf dem heißen, schwarzen Stein, und die Klinge, hoch erhoben, bereit, herabzufallen.
    Sein Schrei war wie ein Ding, das sich mit Klauen und Zähnen aus ihm herauskämpfte, ihn von innen aufbrach, riss und zerrte, mit einem Schmerz, der kaum auszuhalten war. Und sosehr Akiva auch versuchte, den Schmerz zu beschwören, ihn in Magie zu verwandeln – er war zu schwach. Dafür hatte der Wolf gesorgt: Selbst jetzt war Akiva von Wiedergänger-Wachen umstellt, die ihre Hamsas auf ihn richteten und ihn mit lähmender Übelkeit überfluteten. Doch er gab sich nicht geschlagen, und die Menge wurde unruhig, als der Boden unter ihren Füßen bebte. Das Schafott schwankte, der Henker musste einen Schritt zur Seite treten, um nicht aus dem Gleichgewicht zu geraten. Aber es reichte nicht.
    Die Anstrengung brachte die Blutgefäße in Akivas Augen zum Bersten. Doch er schrie weiter. Schrie und versuchte alles.
    Wie ein schimmernder Blitz fuhr die Klinge nieder, und Akiva stürzte nach vorn auf seine Hände. Er war vernichtet, leer. Liebe, Frieden, Wunder: Nichts war mehr davon übrig. Hoffnung, Mitgefühl: verschwunden.
    Alles, was noch blieb, war Vergeltung.
    ***
    Die Klinge war riesig und glänzte wie ein fallender Mond.
    Sie traf, und Madrigal war ihrer Hülle beraubt.
    Sie nahm wahr, wie das Fleisch von ihr abfiel.
    Doch sie existierte weiter. Sie
existierte
, aber nicht körperlich. Sie wollte das erbärmliche Fallen ihres Kopfes nicht sehen, konnte den Blick aber auch nicht abwenden. Zuerst trafen ihre Hörner klappernd auf der Plattform auf, der Rest folgte mit einem scheußlich dumpfen Schlag, ehe der abgeschlagene Kopf endlich zur Ruhe kam – die Hörner verhinderten, dass er wegrollte.
    Aus diesem seltsamen neuen Blickwinkel über ihrem Körper konnte sie alles sehen. Sie konnte es gar nicht vermeiden. Die Augen waren ein Körperorgan gewesen, mit selektivem Fokus und Lidern, die man schließen konnte. Aber diese Fähigkeit besaß sie nun nicht mehr. Sie sah alles, ohne die Begrenzung eines Körpers, die sie von der allgegenwärtigen Luft trennte. Es war eine gedämpfte Art des Sehens, in alle Richtungen auf einmal, als wäre ihr ganzes Wesen ein Auge, wenn auch nebelhaft verschleiert. Die Agora, die hasserfüllte Menge. Und auf der Plattform ihr gegenüber brachte Akivas Schrei noch immer die Luft zum Erzittern. Akiva auf den Knien, vornübergebeugt, von herzzerreißendem Schluchzen geschüttelt.
    Unter sich sah sie ihren eigenen Körper, kopflos. Er schwankte zur Seite und kippte um. Es war zu Ende. Noch fühlte Madrigal sich an diesen Körper gebunden, aber sie hatte es auch nicht anders erwartet. Sie wusste, dass die Seele noch einige Tage bei ihrem Körper blieb, bevor der Prozess der Auflösung begann. Wiedergänger, die von der Schwelle der Auflösung zurückgeholt worden waren, berichteten, dass es sich angefühlt hatte, als würde die Flut sie aufs offene Meer hinaustragen.
    Thiago hatte angeordnet, dass Madrigals Körper auf dem Schafott liegen bleiben sollte, bis er verrottete, immer unter Bewachung natürlich, damit niemand versuchen konnte, ihre Seele einzusammeln. Ihr Körper tat ihr leid. Brimstone bezeichnete Körper gerne als Hüllen, aber Madrigal mochte die Haut, die sie ihr Leben lang begleitet hatte, und sie wünschte, ihr wäre ein würdigeres Ende zuteilgeworden. Aber es war nichts dagegen zu machen, und sie hatte sowieso nicht vor, hier zu bleiben und
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