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Das Ziel ist der Weg

Das Ziel ist der Weg

Titel: Das Ziel ist der Weg
Autoren: Ulrich Hagenmeyer
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alten Brücke den Río Burbia und steigen dann über viele Kilometer äußerst steil auf dem rechten Hang auf, mit weitem Blick über das Tal, und dann über das Bergdorf Pradela wieder steil ab nach Trabadelo. Stetig bergan zieht es sie nun, vorbei an den Dörfern Vega de Valcarce, Ruitelán und Herrerias. Sie wandern sehr steil hinauf nach La Faba und erreichen nach einigen Kilometern endlich die Passhöhe und das galicische Dorf О Cebreiro, 1293 Meter über dem Meer.
    Nachdem sie sich dort in der Aura der alten Marienstatue im Innern der vorromanischen Kirche der ehemaligen Abtei San Girardo gesammelt haben, gehen sie durch das keltische Dorf mit seinen runden strohgedeckten Häusern und auf einem Kammweg bis zur Anhöhe San Roque. Weiter führt der Weg durch das Dorf Hospital de Condesa und schließlich steil hinauf zum Pass Alto do Poio, wo sie mit der riesenhaften Pilgerstatue gemeinsam ins grüne Galicien blicken. Sodann steigen sie über viele Kilometer auf Feld- und Hohlwegen steil ab und erreichen am Ende eines Wiesentales das Straßendorf Triacastela mit seiner Santiagokirche. Daraufhin gehen die Pilger entweder auf einsamen Forst- und Feldwegen über San Xil, den Ricabo-Pass und die alte Kirche San Esteban nach Sarria, oder sie überqueren den Río Ouribio und laufen auf Wanderwegen, Dörfer passierend, vorbei am Kloster San Julian in Samos. Alte Steinmauern grenzen grüne Felder voneinander ab, dunstigfeuchte Luft webt eine mystische Atmosphäre.
    In Sarria steigen sie steil die Treppen zur Altstadt hoch, gehen vorbei am Magdalenenkloster und wandern nun über viele Kilometer in der eindrucksvollen Landschaft Galiciens. Durch kleine Dörfer, über uralte Wege aus großen Steinen, vorbei an alten Kirchen gelangen sie schließlich nach Portomarín, nachdem sie auf der Brücke den Stausee überquert haben. Die nach außen bedrohlich wirkende romanische Wehrkirche San Nicolás der Johanniter bietet ihnen im Innenraum Schutz für Augenblicke der Ruhe. Weiter wandern die Pilger nach Palas de Rei durch galicische Wälder und Felder, durch alte Dörfer mit den typischen Maisspeichern, Waschhäusern und alten Friedhöfen, begleitet von Ginster, Farnen und Wegkreuzen.
    Sie lassen Palas de Rei hinter sich, es zieht sie weiter, immer weiter durch die galicische Landschaft auf einfachen Feldwegen und durch Eukalyptuswälder. Sie passieren die schöne alte Kirche in Leboeiro, gehen über die malerische alte Bogenbrücke nach Furelos und folgen den gelben Pfeilen bis nach Melide, vorbei an der romanischen Dorfkirche Santa María de Melide und über die Steinplattenfurt durch den Bach Barreiro weiter bis zur Klosterkirche La Magdalena in Arzúa. Vorwärts, vorwärts. An Santa Irene vorbei. An Labacolla. Plötzlich stehen die Pilger am Monte do Gozo, am Berg der Freude: Von hier sehen sie Santiago de Compostela zum ersten Mal. Sie halten an und inne, sammeln sich. Momente ihres ganz persönlichen Jakobswegs ziehen vor ihrem inneren Auge vorüber, bewegt schauen sie zurück. Sie gehen hinunter in die alte Stadt, bis sie schließlich vor dem Obradoiro, der Barockfassade der Kathedrale von Santiago de Compostela stehen. Wenn die Pilger unter dem Pórtico de la Gloria hindurch in das romanische Kathedraleninnere treten, nachdem sie ihre fünf Finger wie Millionen Pilger vor ihnen in die Vertiefungen an der Säule des Baumeisters Matteo gelegt haben, wenn sie die golden glänzende Statue des heiligen Jakobus vor sich sehen und ihnen die Weihrauchreste des Botafumeiro, des übergroßen Weihrauchkessels, in die Nase steigen, dann fühlen und wissen sie, dass sie am Ziel ihres Pilgerweges angekommen sind.

    So kalt war es noch nie: Als ich Léon heute Morgen in der Dunkelheit verließ, waren es sieben, vielleicht acht Grad Celsius. Seit Wochen bin ich nur in kurzen Hosen gelaufen, jetzt muss ich in warmer Kleidung pilgern. Als ich mir bei der ersten Rast in einer Bar in Astorga nach einem Kaffee und einer Tortilla wieder die leichtere »Sonnenkleidung« anziehe, wird mir klar, warum mir so schnell kalt wird: Durch die vielen Kilometer seit Deutschland habe ich extrem abgenommen, kein isolierendes Gramm Fett mehr unter meiner Haut. Blaue Adern überall. Mein Körper hat sich alles geholt, was er verbrennen konnte, übrig geblieben sind nur die langen, dünnen Muskeln des Ausdauerläufers. Deshalb begleitet mich mittlerweile permanent ein Hungergefühl. Ich esse so viel, so oft und so reichhaltig wie möglich, bis zu vier warme
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