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Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Titel: Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Addison Allen
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Bälle bekannt gewesen, die sie in der Hoffnung veranstaltete, die Bürger der Stadt dazu zu bringen, so vornehm zu werden, wie sie selbst es sich wünschte. Doch dazu war es nie gekommen. Da es ihr nicht gelingen wollte, eine feine Gesellschaft aus den Leuten hier zu machen, beschloss sie, die feine Gesellschaft nach Walls of Water zu bringen. Sie beschwatzte ihre Freundinnen aus Atlanta, sie zu besuchen, hier Häuser zu bauen und diesen Ort als ein ausgelassenes Paradies zu betrachten. So war es ihr zwar nie vorgekommen, aber sie verstand sich ausgezeichnet darauf, andere davon zu überzeugen. Das ist eine Gabe, über die vor allem schöne, unzufriedene Frauen verfügen.
    Und so bildete sich in diesem winzigen, von Wasserfällen umgebenen Nest in North Carolina tatsächlich eine feine Gesellschaft. Die reichen Familien waren neugierig, fehl am Platz und stur. Die derben Holzarbeiter, die die Mehrheit der Einwohner stellten, empfingen sie wahrhaftig nicht mit offenen Armen. Aber als die Regierung die Wälder in der Umgebung kaufte und sie in einen Nationalpark umwandelte, kam die einheimische Holzindustrie zum Erliegen, und ebendiese wohlhabenden Familien halfen dem Ort zu überleben.
    Die Ironie bestand darin, dass die Jacksons, einst die angesehenste Familie im Ort, ja der Grund für die Existenz dieses Ortes, all ihr Geld verloren, als die Holzarbeiten zum Erliegen kamen. Sie zehrten noch eine Weile von den Erinnerungen an ihre glorreiche Vergangenheit und ihrem Ersparten, doch schließlich konnten sie ihre Steuern nicht mehr begleichen und mussten aus dem Madam ausziehen. Die meisten Leute, die mit Nachnamen Jackson hießen, verließen den Ort. Nur eine blieb – ein junges Mädchen namens Georgie Jackson, Willas Großmutter. Sie war damals siebzehn, ledig und schwanger. Und sie wurde ausgerechnet von den Osgoods, die früher eng mit den Jacksons befreundet gewesen waren, als Hausmädchen eingestellt.
    Kurz vor der Auffahrt zur Villa lenkte Willa ihren Wagen an den Straßenrand. Sie richtete es immer so ein, dass sie hier ankam, wenn die Arbeiter gegangen waren. Sie stieg aus dem Jeep, kletterte auf die Motorhaube und lehnte sich an die Windschutzscheibe. Es war Ende Juli. Jetzt war der Sommer am heißesten. Liebeskranke Insekten erfüllten die Luft mit ihrem Summen. Willa setzte zum Schutz vor der untergehenden Sonne ihre Sonnenbrille auf und starrte zum Haus hinüber.
    Nun musste nur noch der Garten angelegt werden. Damit war an diesem Tag offenbar begonnen worden. Das fand Willa aufregend. Neue Dinge waren zu sehen. Zwischen Holzpfosten gespannte Seile bildeten ein Muster von Vierecken quer über den Vorhof; auf dem Rasen waren unterirdische Leitungen mit Strichen in unterschiedlichen Farben markiert, um die Arbeiter darauf hinzuweisen, dass sie dort nicht graben durften. Ein Großteil der Aktivitäten schien sich jedoch rund um den einzigen Baum auf dem flachen Gipfel des Hügels abzuspielen, auf dem die Villa thronte.
    Der Baum stand direkt am linken Rand der Ebene, kurz bevor der Hügel steil abfiel. An seinen ausladenden Ästen wuchsen Blätter in langen, dünnen Büscheln. Wenn das Licht am Abend im richtigen Winkel auf den Baum fiel, sah es aus, als würde jemand am Rand einer Klippe stehen, bereit, ins Meer zu springen. Neben dem Baum stand ein Schaufelbagger, und um die Äste waren Plastikseile gebunden.
    Wollten sie den Baum etwa fällen?
    Warum nur? Er kam Willa kerngesund vor.
    Doch was immer sie taten, es diente garantiert einer Verbesserung. Die Osgoods waren bekannt für ihren guten Geschmack. Bald würde sich das Blue Ridge Madam wieder sehen lassen können.
    So ungern Willa es zugab, Rachel hatte recht. Sie hätte wirklich gern gewusst, wie die Villa innen aussah. Aber sie fand, dass sie kein Recht dazu hatte. Das Haus befand sich seit den dreißiger Jahren nicht mehr im Besitz ihrer Familie. Selbst ihr momentaner Aufenthaltsort kam ihr unrechtmäßig vor. Andererseits war das – wenn sie sich selbst gegenüber ehrlich war – einer der Gründe, warum sie immer wieder hierherkam. Nicht einmal als Teenager hatte sie sich nah genug herangewagt, um ins Innere zu spähen. Damals hatte es als Mutprobe gegolten, in das verfallende Haus einzudringen. In ihrer Jugend hatte sie alle möglichen Streiche ausgeheckt und war dabei so geschickt vorgegangen, dass bis zum Schluss niemand wusste, wer dahintersteckte. Im letzten Jahr auf der Highschool war sie eine richtige Legende gewesen.
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