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Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)

Titel: Das Wunder des Pfirsichgartens: Roman (German Edition)
Autoren: Sarah Addison Allen
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des alten Dr. Kostovo übernommen. Der alte Herr wollte in Nevada seinen Ruhestand verbringen. So hoffte er, der feuchten Luft von Walls of Water zu entkommen, die seinen Gelenken schadete. Shade Tree Cottage war ein dunkles, gemauertes Haus mit einem dekorativen steinernen Türmchen. Sebastian hatte Paxton einmal verraten, dass ihm das Theatralische dieses Ortes gefiel; dass er gern so tat, als lebte er in einer Episode von Dark Shadows .
    Sie klopfte an die Haustür. Gleich darauf wurde sie von Sebastian geöffnet. »Hallo, meine Schöne«, sagte er und machte die Tür weit auf. »Ich hatte nicht damit gerechnet, dich heute Abend noch zu sehen.«
    »Ich wollte nur kurz Hallo sagen«, erklärte sie und trat ein. Die Worte klangen lahm, wie sie selbst fand. Brauchte sie wirklich einen Grund, um ihn zu sehen? Sie wusste ganz genau, dass er nichts gegen ihre Besuche hatte.
    Pax ging ins Wohnzimmer und setzte sich auf die Couch. Offenbar hatte er gerade ferngesehen. Hinter der dunklen Fassade dieses Hauses hätte man im Innern eigentlich Schwerter und Wappen erwartet. Aber Sebastian hatte die Räume hell und gemütlich gestaltet. Er war, kurz nachdem sie sich gegen den Hauskauf entschieden hatte, in die Stadt zurückgekehrt, und es hatte ihr Spaß gemacht zu verfolgen, wie sich sein Haus veränderte und zu seinem eigenen wurde. Insgeheim beneidete sie ihn manchmal um seine Unabhängigkeit. Jetzt zog sie die Schuhe aus und schlug die Beine unter. Sebastian nahm neben ihr Platz und schlug die Beine übereinander. Er trug eine Hose, die am Bund mit einer Kordel zusammengehalten wurde, und ein T-Shirt. Seine Füße waren nackt, die Zehennägel ordentlich geschnitten.
    Sebastian war ein Bild von einem Mann. Sein Gesicht wirkte zart wie ein Gedicht von John Donne. Alle gingen davon aus, dass er schwul war, aber niemand konnte es mit Sicherheit sagen. Er leugnete es nicht, bestätigte es aber auch nicht. Paxton war sich ziemlich sicher, dass sie die Einzige war, die je einen Beweis dafür gesehen hatte. Auf der Highschool war er sehr schlank gewesen. Er hatte Eyeliner benutzt und war in langen Mänteln herumgelaufen, und statt der üblichen Markenrucksäcke hatte er einen Schulranzen gehabt. Er war nicht zu übersehen gewesen. Deshalb hatte er auch im letzten Schuljahr ihre Aufmerksamkeit im Einkaufszentrum von Asheville erregt. Asheville lag etwa eine Stunde von Walls of Water entfernt, und Paxton war mit ihrer Clique fast jeden Samstag dorthin gefahren. Sebastian saß im Essbereich inmitten einer Gruppe anderer Paradiesvögel, die nicht aus Walls of Water stammten. Solche Jungs traf man nicht in kleinen Orten. Paxton und ihre Freundinnen liefen gerade an ihnen vorbei, als sich plötzlich einer der exotischen Jungs über den Tisch beugte. Seine schwarzen Haare standen ihm wie Stacheln vom Kopf ab, und er trug schwarz-weiße, fingerlose Handschuhe, die ihm bis zu den Ellbogen reichten. Dieser Junge küsste Sebastian direkt auf den Mund, lange und innig. Irgendwann öffnete Sebastian die Augen und sah Paxton. Ohne den Kuss zu unterbrechen, verfolgte er sie mit seinem Blick. Sie hatte niemals etwas so Kühnes und Verführerisches gesehen.
    Wenn sie jetzt an jenen Kuss zurückdachte, konnte sie ihn mit Sebastian kaum noch in Verbindung bringen. Er war mittlerweile sehr kontrolliert und wirkte beinahe asexuell in den maßgeschneiderten Anzügen, die er zur Arbeit trug und mit Seidenkrawatten kombinierte, die so glatt waren, dass sie das Licht reflektierten.
    »Wie war dein Tag?«, fragte er und stützte sich mit den Ellbogen auf die Lehne. Er war ihr so nah, dass er sie fast berührte.
    »Okay, würde ich sagen.« Sie beugte sich vor, nahm sein halb volles Weinglas und nippte daran.
    Sebastian legte den Kopf schief. »Nur okay?«
    »Schön war, dass Colin früher heimkam als erwartet. Die Gartenarbeiten beim Madam werden jetzt bestimmt rechtzeitig fertig. Aber das Klubtreffen heute Abend war äußerst seltsam. So etwas Komisches habe ich noch nie erlebt. Es gibt noch eine Menge für die Gala zu tun, aber plötzlich spielen alle völlig verrückt.«
    »Wie äußerte sich das?«
    Sie dachte kurz darüber nach. »Wenn ich als Kind zu neugierig wurde, sagte meine Großmutter stets: ›Sobald du Geheimnisse von anderen erfährst, sind deine eigenen auch nicht mehr sicher. Wer eines ausgräbt, lässt sie alle frei.‹ So war es bei diesem Treffen. Als sie damit anfingen, schienen sie nicht mehr aufhören zu können.«
    Er lächelte.
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