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Das Wirken der Unendlichkeit

Das Wirken der Unendlichkeit

Titel: Das Wirken der Unendlichkeit
Autoren: Carlos Castaneda
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daß es eine Sammlung von Ereignissen ist, kaum verstehen«, erklärte ich trotzig. »Wenn du dann noch sagst, es sei ein Album und dieses Album sei eine kriegerische Handlung, dann ist das einfach zuviel für mich. Es ist zu unklar. Wenn etwas so unklar ist, dann verliert die Metapher ihren Sinn.« »Wie seltsam! Für mich ist genau das Gegenteil der Fall«, erwiderte Don Juan gelassen. »Nichts auf der Welt könnte für mich mehr Sinn haben als der Gedanke, daß so ein Album eine Kriegstat ist. Ich würde nicht wollen, daß mein Album denkwürdiger Ereignisse etwas anderes ist als eine kriegerische Handlung.«
    Ich wollte meinen Standpunkt deutlicher machen und ihm erklären, daß ich die Idee eines Albums denkwürdiger Ereignisse einfach nicht begreifen konnte. Ich wehrte mich gegen die verwirrende Art, in der er die Aufgabe beschrieb. Ich sah mich damals als einen Anwalt von Klarheit und Funktionalität im Gebrauch der Sprache. Don Juan äußerte sich nicht über meine Streitlust. Er nickte nur, als stimme er mir zu. Nach einer Weile verließ mich entweder meine Energie, oder ich bekam einen gewaltigen Energieschub. Plötzlich und ohne jedes eigene Zutun erkannte ich die Vergeblichkeit meiner Ausbrüche. Ich wurde ungeheuer verlegen. »Was kommt nur über mich, daß ich mich so benehme?« fragte ich Don Juan und meinte das ernst. Ich war in diesem Augenblick völlig verwirrt. Meine Selbsterkenntnis erschütterte mich derart, daß ich unwillkürlich anfing zu weinen.
    »Mach dir über lächerliche Einzelheiten keine Gedanken«, meinte Don Juan beruhigend. »Wir sind alle so, ob Mann oder Frau.«
    „Willst du damit sagen, Don Juan, daß wir von Natur aus engstirnig und widersprüchlich sind?« »Nein, wir sind von Natur aus nicht engstirnig und widersprüchlich«, antwortete er. »Unsere Engstirnigkeit und Widersprüchlichkeit ist eher das Ergebnis eines transzendentalen Konflikts, in dem jeder von uns steht. Nur die Schamanen sind sich dessen schmerzlich und verzweifelt bewusst. Es ist der Konflikt unserer beiden Bewusstseine.«
    Don Juan sah mich an. Seine Augen waren so schwarz wie Kohle.
    -Du redest ständig von unseren beiden Bewusstseinen«, sagte ich. »Aber mein Gehirn kann nicht begreifen, was du sugst. Warum ist das so?« »Wenn es soweit ist, wirst du es wissen«, erwiderte er.
    »Im Augenblick genügt es, wenn ich wiederhole, was ich dir bereits über die beiden Bewusstseine gesagt habe. Das eine ist unser wahres Bewusstsein, und es ist das Ergebnis aller unserer Lebenserfahrungen. Es meldet sich nur selten, denn es ist besiegt und zu Unverständlichkeit verdammt. Das andere Bewusstsein, das Bewusstsein, das wir täglich für alles benutzen, was wir tun, ist ein Fremdkörper.«
    »Ich glaube, das Problem dabei ist die Vorstellung, das Bewusstsein sei ein Fremdkörper. Das ist so absurd, daß mein Bewusstsein es ablehnt, das ernst zu nehmen«, erklärte ich und hatte das Gefühl, eine große Entdeckung gemacht zu haben.
    Don Juan äußerte sich nicht zu meinem Einwand. Er fuhr fort, mir die Sache mit dem einen und dem anderen Bewusstsein zu erklären, als hätte ich überhaupt nichts gesagt.
    »Den Konflikt der beiden Bewusstseine zu lösen, ist eine Sache des Wollens*«, sagte er. »Die Schamanen beschwören das Wollen, in dem sie das Wort Wollen laut und deutlich aussprechen. Das Wollen ist eine Kraft, die es im Universum gibt. Wenn Schamanen das Wollen beschwören, stellt es sich bei ihnen ein und öffnet ihnen den
    Weg zum Ziel. Das heißt, die Schamanen erreichen stets das, wozu sie sich entschließen.«
    »Willst du damit sagen, Don Juan, daß die Schamanen alles erreichen, was sie sich vornehmen, auch wenn es sich dabei um unbedeutende, banale und unvernünftige Dinge handelt?« fragte ich.
    * Intention/Wille oder Intendieren/Wollen entsprechen in ihrer Bedeutung den Begriffen, die Schamanen im alten Mexiko benutzten, um etwas zu beschreiben, für das es keine Übersetzung gibt - bewusstes Handeln, zu dem sie sich entschlossen. Es ging dabei um ein vorsätzliches Handeln, dem die Gegenwart als Orientierungspunkt diente und das in die Vergangenheit und in die Zukunft projiziert wurde. Das Wollen projizierte sich in die Vergangenheit unter Anwendung der Erfahrung der Schamanen, und es projizierte sich in die Zukunft unter dem >Postulat< der Schamanen, sie seien in der Lage, Möglichkeiten des Handelns zu beeinflussen, die noch nicht sichtbar waren. Sie benutzten zum Beispiel ihr in der
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