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Das Wetter vor 15 Jahren

Das Wetter vor 15 Jahren

Titel: Das Wetter vor 15 Jahren
Autoren: Wolf Haas
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und noch am selben Tag runtergefahren wäre.
    Wolf Haas Für mich war das natürlich zuerst einmal bitter. Dass ich ihn deshalb um genau einen Tag verpasst habe. Ich glaub sogar, dass wir uns auf der Autobahn gekreuzt haben. Und als ich bei ihm vor der Tür gestanden bin, ist er gerade zum ersten Mal seit fünfzehn Jahren in Farmach angekommen.
    Literaturbeilage Herr Haas, darüber sprechen wir morgen.
     

Zweiter Tag
    Literaturbeilage Herr Haas, Ihre lange Autofahrt von Wien ins Ruhrgebiet hatte erst mal ein enttäuschendes Ergebnis.
    Wolf Haas Natürlich war ich zuerst enttäuscht, dass ich Kowalski nicht angetroffen habe. Aber im Nachhinein muss man sagen, für die Geschichte war es letzten Endes das Beste, was ich mir wünschen konnte.
    Literaturbeilage Weil er zur selben Zeit, in der Sie rauffuhren, schon in die Gegenrichtung unterwegs war.
    Wolf Haas Annis Ansichtskarte mit dem Bergpanorama, die er zwei Wochen nach der Sendung in seinem Briefkasten vorgefunden hat, war für ihn natürlich etwas interessanter als meine Anrufe.
    Literaturbeilage Die Postkarte, die in Wahrheit von seinem Freund Riemer war.
    Wolf Haas Ja, Riemer hat da ein bisschen Schicksal gespielt. Sein Freund hat ihm eben leidgetan. Und welche Katastrophe er damit auslöst, das hat er ja wirklich nicht ahnen können.
    Literaturbeilage Ich sehe schon, wir müssen doch zumindest kurz bei dem bleiben, was Sie im Ruhrgebiet erlebt haben. Sie haben ja mal so nebenbei gesagt, Ruhrgebiet, das wäre ein eigener Roman.
    Wolf Haas Ach, das war nur so hingesagt. Es stimmt schon, dass es mich während der Arbeit einmal kurz gereizt hätte, die zweite Hälfte der Geschichte, also den ganzen Gegenwartsteil, einfach ins Ruhrgebiet zu verlagern. Also dass Anni nach der Sendung zu ihm rauffährt statt er zu ihr runter. Das war natürlich nicht möglich, das wäre ja ein vollkommen anderes Buch geworden. Aber der Reiz wäre eben in der Symmetrie gelegen, dass man auch die Gegenbewegung drinnen hätte.
    Literaturbeilage Fünfzehn Jahre fährt der eine runter, jetzt fährt sie rauf.
    Wolf Haas Auch weil es immer diese Gegenden gibt, in die man fährt. Man reist immer von England nach Spanien, immer von München nach Venedig, immer vom Ruhrgebiet nach Österreich, nie umgekehrt. Das wäre natürlich schon reizvoll gewesen, das einmal umgekehrt zu schreiben. Ein österreichischer Tourist im Ruhrgebiet sozusagen. Aber das konnte ich nicht machen. Anni ist ja nicht hinaufgefahren. Sie war ja bis heut noch nicht oben!
    Literaturbeilage Was? Das ist unglaublich! Nach der ganzen Geschichte!
    Wolf Haas Ja, die ist nicht sehr rührselig.
    Literaturbeilage Das klingt würklich ziemlich tough. Nach so einer Geschichte!
    Wolf Haas Aber im Nachhinein bin ich auch froh, dass ich das nicht umdrehen konnte. Letztlich finde ich auch für das Buch so eine eindeutige Richtung viel spannender als irgend so einen Himmelsrichtungspluralismus. Ich sag ja immer, bei der Symmetrie fängt das Kunsthandwerk an. Stattdessen geht jetzt alles nur in eine Richtung, runter runter runter. Wie im wirklichen Leben!
    Literaturbeilage Sie hingegen sind raufgefahren.
    Wolf Haas Ja eben, und es war wirklich aufregend für mich.
    Literaturbeilage Wie haben Sie denn überhaupt nach ihm gesucht?
    Wolf Haas Ich hab noch in Wien herausgefunden, wo er arbeitet, das ist ja heute mit google alles wirklich schon fast gespenstisch einfach.
    Literaturbeilage Hab ich natürlich vor unserem Treffen auch gemacht. Ich weiß über Sie auch -
    Wolf Haas - alles.
    Literaturbeilage „Alles" würde ich nicht sagen, aber man findet schon viel.
    Wolf Haas Ich über Sie allerdings auch.
    Literaturbeilage Was? Würklich? Aber da gibt's doch nichts.
    Wolf Haas Da gibt's sogar jede Menge. Zum Beispiel Marathonergebnisse.
    Literaturbeilage Oh Gott, das war nur so'n FunMarathon.
    Wolf Haas Bei Herrn Kowalski war es aber wirklich reines Glück, dass in google überhaupt was über seine Arbeit zu finden war. Er hatte mit der Öffentlichkeitsarbeit im Grunde nichts zu tun. Er und sein Freund Riemer haben sich das in der Firma ziemlich strikt aufgeteilt. Kowalski war sozusagen für die „richtige Arbeit" zuständig, für die trockene Ingenieursarbeit. Wenn es wirklich was zu rechnen und zu belegen gab, das hat alles er erledigt. Und Riemer hat in den letzten Jahren ausschließlich die Öffentlichkeitsarbeit gemacht.
    Literaturbeilage Über Riemer haben Sie im Internet mehr gefunden.
    Wolf Haas Von Riemers Existenz hatte ich da ja
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